Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Banden sind am Montag (29.) in der Haftanstalt von Altamira mindestens 58 Häftlinge getötet worden. 16 der Opfer wurden enthauptet. Die Kämpfe im brasilianischen Bundesstaat Pará waren ausgebrochen, nachdem Mitglieder einer kriminellen Organisation in den Zellen-Trakt einer rivalisierenden Bande eingedrungen und Feuer gelegt hatten. Altamira ist die flächenmäßig größte Gemeinde in Brasilien, die drittgrößte Gemeinde der Welt und knapp viermal so groß wie die Schweiz. Das „Município de Altamira“ belegt den 6. Platz in der Rangliste der gewalttätigsten Städte in Brasilien. In dieser Gemeinde in Nordbrasilien ist die Mordrate viermal höher als im Landesdurchschnitt. Dort sind wie im Rest des Territoriums zwei große Drogen-Kartelle tätig: „Comando Vermelho“ und „Primeiro Comando da Capital“ (PCC).
Beide Gruppen kontrollieren den Eintritt, die Verteilung und den Versand von Kokain ins Ausland. An diesem Ort der Herrschaft wird das Leben in und aus den Gefängnissen heraus „gelenkt“: Beiden Organisationen geht es in erster Linie darum, ihre Führer zu erhalten, ihre Familien finanziell zu unterstützen und diejenigen zu liquidieren, die sich ihren Projekten widersetzen. Was sich am Montag im „Centro de Recuperación Regional de Altamira“ abspielte, ist eine neue Auseinandersetzung zwischen den beiden Banden. Diesmal starben 52 Menschen, vor allem durch Ersticken in den überfüllten Zellen. Sechzehn von ihnen hatten ein grausameres Schicksal: Sie wurden von ihren Rivalen enthauptet. Im brasilianischen TV war ein Gefangener zu sehen, der mit einem abgetrennten Kopf Fußball spielte.
In den Haftanstalt von Altamira leben 309 Gefangene, die Kapazität liegt bei 208 Personen. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass das Gefängnis Schauplatz solcher Gewalt ist. Im April letzten Jahres wurden dort sieben Gefangene getötet und drei weitere bei einem Fluchtversuch verletzt. Die jetzige Konfrontation mit ihrer Dosis von Grausamkeit überschreitet allerdings die bekannten Grenzen (auch für die Banden selbst) und kann nicht nur als lokale Angelegenheit angesehen werden. Diese Region ist ein strategischer Ort für den internationalen Drogenhandel: Kokain gelangt in den Amazonas, durchquert den Dschungel und erreicht schließlich Belém, die Hauptstadt von Pará und etwas mehr als 100 Kilometer von Altamira entfernt. Von dort gelangt das Kokain in den Süden des Landes und dann nach Afrika und Europa. Die Macht, die dort ausgeübt werden kann, hat für die Drogenhändler daher oberste Priorität.
„Ohne Zweifel handelt es sich um einen Krieg zwischen diesen beiden Fraktionen“, analysiert Jarbas Vasconcelos, Sicherheits-Sekretär des brasilianischen Bundestaates. Nach seinen Worten ist die Gewalt in den Gefängnissen in Brasilien, im Norden, im Nordosten und im Amazonasgebiet, nahezu konstant. Im Mai 2018 wurden 15 Inhaftierte im Manaus-Gefängnis (Hauptstadt des Amazonas) ermordet, im selben Gefängnis ereignete sich 2017 ein weiteres schreckliches Ereignis: ein Massaker mit 56 Toten.
Das „Comando Vermelho“ (CV) wurde in den 70er Jahren im Gefängnis der Ilha Grande (Isla Grande) in Rio de Janeiro geboren, als in dieser Haftanstalt gewöhnliche Kriminelle mit politischen Gefangenen zusammenlebten. Wenige Jahre später finanzierte sich die Organisation mit Raubüberfällen auf Bankinstitute und Juweliere. Wenig später stiegen sie ins lukrative Drogengeschäft ein. Das „“Primeiro Comando da Capital“ (PCC) hat seinen Ursprung in der Stadt São Paulo. Von dort expandierten sie nach Norden und Süden. Sehr sachkundige Quellen des Drogenhandels behaupten, dass die PCC internationalisiert (oder vielleicht sogar globalisiert) ist. Es ist bekannt, dass diese Bande auch in Paraguay tätig ist und Kommando-Zellen in der Provinz Buenos Aires hat. Heute ist sie die größte kriminelle Vereinigung in Brasilien und kommandiert unzählige kleine Drogen-Banden wie die „Familia del Norte“ (FDN), „Primeiro Guerrilla del Norte“ (PGN) und „Comando Classe A“ (CCA).
Update, 31. Juli
Vier Gefangene, die an dem Massaker mit mindestens 58 Toten teilgenommen hatten, wurden in einem Bus getötet, als sie in ein anderes Gefängnis in der Region gebracht wurden. Die Behörden bemerkten die Verbrechen erst nach der Ankunft in Marabá. Der „Lastwagen“, in dem die Häftlinge untergebracht waren, hatte eine Kapazität für vierzig Personen, war jedoch nicht mit einzelnen Zellen für jeden der Insassen ausgestattet.
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