Forscher der Universität Bayreuth haben erstmals berechnet, wie sich der Klimawandel bis zum Jahr 2070 voraussichtlich auf die Naturschutzgebiete der Erde auswirkt. In der Zeitschrift Nature Communications stellen sie ihre Studie vor, mit der sie neue Anstöße für die Umweltpolitik und das Management von Schutzgebieten geben wollen. Weltweit sind derzeit insgesamt 245.844 Schutzgebiete registriert. Für 137.432 terrestrische Naturschutzgebiete – dies sind Schutzgebiete an Land – haben die Bayreuther Forscher auf der Basis gesicherter Messdaten detaillierte Klimaprognosen erarbeitet. Die Schutzgebiete, in denen besonders signifikante Klimaänderungen zu erwarten sind, befinden sich in temperaten Zonen der Erde oder in polaren Zonen auf der Nordhalbkugel. Sie sind relativ klein, bieten räumlich wenig abwechslungsreiche Umweltbedingungen und liegen nicht sehr hoch. Sie sind durch Eingriffe seitens des Menschen bedroht und haben hinsichtlich ihrer Pflanzen- und Tierwelt viel mit anderen Schutzgebieten gemeinsam. Um möglichst belastbare Prognosen zu erzielen, haben die Autoren der neuen Studie mit zehn verschiedenen Klimamodellen gearbeitet. Zugleich wurde in allen Berechnungen zwischen lokalen, regionalen und globalen Klimaänderungen unterschieden.
Die Prognosen enthalten wichtige Hinweise darauf, inwieweit Schutzgebiete künftig in der Lage sind, zum Erhalt von Biodiversität beizutragen. Diese Aufgabe können sie möglicherweise nicht mehr in dem bisherigen Umfang erfüllen, wenn sich infolge des Klimawandels die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen ändern. In vielen Fällen ist zu erwarten, dass zu schützende Arten die Schutzgebiete verlassen und auf benachbarte Regionen ausweichen. Hier aber sind sie, insbesondere durch den Einfluss der Menschen, erheblich stärker gefährdet. In einem wichtigen Punkt allerdings gibt die Studie Entwarnung: Diejenigen Schutzgebiete der Erde, in denen lokale Klimaänderungen besonders stark in vorhandene Ökosysteme eingreifen, sind nicht entscheidend für das weltweite Überleben von Arten, die auf der „Roten Liste gefährdeter Arten“ stehen.
„Mit unseren Berechnungen wollen wir einen Anstoß dafür geben, die Folgen des Klimawandels künftig systematisch in das Management von Schutzgebieten einzubeziehen. Wenn sich die klimatischen Verhältnisse ändern, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass bestehende Schutzgebiete aufgegeben und andere Regionen neu als Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Aber intensiver als bisher sollte gerade auch in Europa darüber nachgedacht werden, was die vorhandenen Schutzgebiete künftig zur Bewahrung der Artenvielfalt leisten können und sollen. Unsere neuen Berechnungen bieten hierfür wissenschaftliche Anhaltspunkte. Sie sind damit eine Grundlage für ein proaktives Biodiversitäts-Management. Die neue Studie zeigt, dass Big-Data-Technologien mittlerweile auch in der Umweltforschung unverzichtbar sind“, sagt der Erstautor der Studie Samuel Hoffmann M.Sc., Absolvent des Bayreuther Elite-Studiengangs „Global Change Ecology“ und Doktorand an der Universität Bayreuth.
Die Autoren der Studie plädieren dafür, die Schutzgebiete der Erde mehr als bisher in ihrem wechselseitigen Zusammenhang zu betrachten. Dabei sei auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, einige von ihnen zu größeren Einheitenzusammenzufassen. „Grundsätzlich ist es für den Erhalt der Biodiversität vorteilhaft, wenn Schutzgebiete sehr weiträumig angelegt sind und zeitgleich Gebiete mit sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen umfassen. Dann können Arten auf klimatische Veränderungen mit einem Wechsel ihrer Habitate reagieren, ohne dass sie dafür geschützte Zonen verlassen müssen“, sagt Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein, der die Studie koordiniert hat. Ebenfalls beteiligt war sein langjähriger früherer Mitarbeiter Prof. Dr. Severin Irl, der heute eine Professur an der Goethe Universität Frankfurt am Main innehat und kürzlich von der Frithjof Voss-Stiftung mit dem Wissenschaftspreis 2019 in Physischer Geographie ausgezeichnet wurde.
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