Tropische Mückenarten wie die Gelbfiebermücke oder die Asiatische Tigermücke können gefährliche Krankheitserreger übertragen und fühlen sich in Nordamerika und Europa zunehmend wohl. Laut Wissenschaftler*innen des Senckenberg und der ETH Zürich gibt es vielleicht bald ein natürliches Mittel gegen diese Mücken: Im Fachjournal „Applied and Environmental Microbiology“ berichten sie, dass sie im Erbgut des weltweit angebauten Kulturspeisepilzes Agrocybe aegerita eine Gensequenz analysiert haben, die der Pilz nutzt, um Ageritin zu produzieren – ein gegen Gelbfiebermücken hochwirksames, neuartiges Pilzgift.
Pilze haben viele Feinde, gegen die sie sich mit Giften zu wehren wissen. So auch der Pilz Agrocybe aegerita, der zum Beispiel in Südeuropa, Asien und den USA angebaut und als vorzüglicher Speisepilz geschätzt wird. Doch der Pilz kann noch mehr: 2017 wurde entdeckt, dass der Pilz das Gift Ageritin produziert. Ein Forscher des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums hat nun mit Kollegen*innen der ETH Zürich und weiteren deutschen und schweizerischen Forschungseinrichtungen die Wirkungsweise dieses Pilzgiftes und seine genetische Grundlage analysiert.
Ageritin ist ein Ribotoxin, d.h. es greift die Ribosomen, die Proteinfabriken der Zelle, an. Das Gift stoppt dort die Proteinsynthese und führt damit zum Tod der Zelle. Dr. Florian Hennicke, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, dazu: „Ribotoxine werden auch von Schlauchpilzen produziert, zu denen diverse Schimmelpilze gehören. Die Gensequenz, die bei Agrocybe aegerita zur Produktion des Ageritin führt, unterscheidet sich aber stark von den aus Schlauchpilzen bekannten Ribotoxinvarianten. Es handelt sich daher um einen neuen Typ eines solchen Pilzgiftes, das erste Ribotoxin aus einem essbaren Hutpilz“.
Wie das deutsch-schweizerische Team in Labortests herausfand, wirkt Ageritin stark giftig gegen Larven der Gelbfiebermücke, wobei die Toxizitiät von der Aktivität der Ribonuklease abhängt. Wie wirksam das Gift gegen Tigermücken und Japanische Buschmücken – beides Arten, die derzeit Mittel- und Nordeuropa erobern – soll demnächst getestet werden. Der Wirkstoffcocktail von Ageritin scheint speziell auf Insekten zugeschnitten zu sein. Fadenwürmer, die neben Insekten ebenfalls bedeutende Pilzschädlinge sind, vertragen das Gift nämlich gut, wie das Team in Labortests zeigen konnte.
Aufgrund der artspezifischen Wirkung wäre es denkbar, aus dem Pilzgift ein biologisches Mückenschutzmittel zu entwickeln. „Globaler Handel und Klimawandel führen dazu, dass tropisch und subtropisch verbreitete Mückenarten in Europa immer weiter nach Norden vordringen. Gleichzeitig können sie Zika-, Dengue- und West-Nil-Viren übertragen. Daher ist die Entwicklung einer natürlichen Schädlingsbekämpfung auf Basis von Ageritin eine zukunftsweisende Möglichkeit.“, so Hennicke.
Die Analyse der Ageritin zugrundeliegenden Gene ergab zudem, dass das Gift besonders stark in den Fruchtkörpern von Agrocybe aegerita gebildet wird. Es liegt daher nahe, dass Ageritin ein Teil der Überlebensstrategie des Pilzes ist. Durch die Produktion des Gifts werden die Fortpflanzungsorgane des Pilzes vor Frassfeinden geschützt. Die spannendste Frage, die sich Hennicke und seinen Mitstreiter*innen der ETH Zürich derzeit stellt, ist, wie sich der Pilz Agrocybe aegerita selbst vor einer Vergiftung mit seinem eigenen Gift Ageritin schützt. „Es gibt also noch viel Forschungsbedarf. Im Hinblick auf Bio-Insektizide zeigen unsere bisherigen Ergebnisse aber, wie wichtig es ist, die von Pilzen gebildeten Stoffe besser zu untersuchen“, bilanziert Hennicke.
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