Proteste gegen höhere Spritpreise eskalieren, Demonstranten stürmen das Parlament, es gibt Tote bei Straßenschlachten: So ging der Versuch des südamerikanischen Landes Ecuador, Subventionen für fossile Brennstoffe abzubauen, im vergangenen Oktober bis auf weiteres zu Ende. Anlass waren Sparauflagen des Internationalen Währungsfonds, doch die Ereignisse haben auch klimapolitisch Signalwirkung. Lässt sich ohne soziale Verwerfungen die Wende weg von Öl und Gas voranbringen? Den genauen Spielraum beleuchtet jetzt, anhand empirischer Daten, eine Studie unter Mitwirkung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Energy Policy veröffentlicht. Das Autorenteam hat errechnet, wie Subventionsabbau und damit höhere Preise etwa für Benzin, Diesel oder Flüssiggas auf unterschiedliche Einkommensgruppen wirken. Zu diesem Zweck wertete es umfangreiche Zahlenwerke der Zentralbank und des Statistikamts von Ecuador aus: zum einen die Ausgabenstruktur typischer Privathaushalte, zum anderen eine sogenannte Input-Output-Tabelle, die den Einfluss von Energiepreisen auf Hunderte von Produkten beziffert – denn es geht ja auch um die indirekten Folgen höherer Energiepreise jenseits von Tankstelle und Stromrechnung.
Das Ergebnis fällt, angesichts der jüngsten Unruhen in Ecuador, überraschend aus“, berichtet Michael Jakob, Senior Researcher in der MCC-Arbeitsgruppe Klima und Entwicklung und einer der Autoren der Studie: „Rein rechnerisch könnte das Land sämtliche Energie-Subventionen streichen, aus den Mehreinnahmen die Realeinkommen des ärmsten Fünftels der Haushalte um 10 Prozent steigern und sogar noch Geld übrigbehalten.“
Ursache dafür ist, dass von künstlich niedrig gehaltenen Brennstoffpreisen auch die gut verdienenden Haushalte profitieren, zum Teil sogar überproportional. Die Studie beschreibt die Verteilungswirkung ausführlich für die einzelnen Energieträger. Zudem zeigt sie, über welche Kanäle man in Equador eine Freigabe der Preise wirksam ausgleichen könnte, etwa im Rahmen des Sozialgeldes „Bono de Desarollo Humano“. Ergänzend flossen auch Erkenntnisse aus Interviews mit Entscheidungsträgern ein: Diese machten das Potenzial für politische Widerstände deutlich, vor allem organisiert durch das in diesem Land besonders gut organisierte Transportgewerbe. „Die Reform ist wahrscheinlich an mangelhafter Kommunikation gescheitert – aber nicht daran, dass sie zu viele Verlierer produziert hätte“, erklärt Jakob. „Die Regierung hat versäumt, im Vorfeld einen Prozess des politischen Dialogs und der Konsensfindung einzuleiten.“
In dem 17-Millionen-Einwohner-Land Ecuador, das selbst Öl produziert und Mitglied der Opec ist, sind die Subventionen für fossile Energieträger besonders ausgeprägt. Sie betragen nach amtlichen Angaben 7 Prozent der Wirtschaftsleistung und sogar zwei Drittel des Staatsdefizits. Doch dass eine Regierung auf sozial ausgewogene Weise den Ausstieg aus fossiler Energie einleiten kann, ist nach Einschätzung des MCC-Forschers nicht diesen speziellen Fall beschränkt. „Die Erkenntnisse sind sicherlich auch auf viele andere Entwicklungsländer und sogar auf entwickelte Länder übertragbar.“
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