In ihren großformatigen Skulpturen aus Holz, Aluminium oder Eisen behandelt Alejandra Ruddoff existenzielle Fragen von Mensch und Materie, die sich in Raum und Zeit bewegen und verändern. Für ihr umfangreiches Werk und ihre ausdrucksstarke plastische Sprache wurde die vielfach ausgezeichnete Bildhauerin zum Mitglied der chilenischen Akademie der Künste berufen.
„Die Beschaffenheit von Materialien, die Steine und die Sterne am Himmel, die Suche nach dem Sinn und Ursprung unserer Existenz. Die Frage, wie sich die Materie im Laufe der Zeit transformiert. All das hat mich schon zeitlebens umgetrieben“, erzählt die Künstlerin. In ihrer Rede anlässlich der Berufung an die Akademie erwähnte sie die chilenische Astrophysikerin Paula Jofré, die nach Wegen suchte, die Sterne unserer Galaxie als Stammbaum zu visualisieren. Dabei gehe die Wissenschaftlerin von der Prämisse aus, dass die Sterne eine messbare DNA haben. „Paula Jofré hat konkrete Ergebnisse gezeigt, die die Möglichkeit eines greifbaren Universums eröffnen, einer Sternenkartographie.“
Die künstlerische Suche nach den Sternen beginnt für Alejandra Ruddoff nicht selten im Alltag der Großstadt, in ihrem Atelier im Stadtteil Kreuzberg in Berlin, wo sie seit zehn Jahren lebt. Dort denkt sie auch über ihre neue Rolle als miembro correspondiente der Akademie nach: „Diese Ernennung hat mich überrascht und gefreut. Ich empfinde die neue Aufgabe als eine große Verantwortung.“ Sie verstehe sich nun als offizielle Stimme, eine Art Brückenbauerin und kulturelle Botschafterin zwischen Chile und Europa.
Bereits 1993 verbrachte sie ein Jahr in Deutschland. Als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste in München, und 2006 war sie Artist in Residence beim Volkswagen Design Center in Potsdam.
Dort, an einer verkehrsreichen Kreuzung, ist auch ihr Projekt „Nach Vorn“ angesiedelt. Nach diesem wurde der Standort sogar in Chile-Platz umbenannt. Andere Werke in Deutschland sind in Bonn, Naumburg und Wuppertal zu sehen. Die radförmige Holzskulptur mutatis mutandis (übersetzt: „was zu verändern ist“) war 2017 als Exponat auf der Biennale in Venedig installiert. „Ich versuche in meiner Kunst, jeweils einen Augenblick im Kontinuum von Raum und Zeit auszudrücken, also eine Momentaufnahme zu machen von großen dynamischen Prozessen.“
Ihre Skulptur Hommage an den Wind steht in der Natur, in den Weiten Patagoniens, an der Ruta 9, zwischen Punta Arenas und Puerto Natales. „Sie illustriert nicht nur die Kraft der Polarwinde und weist auf den Südpol. Die Skulptur sucht zu vermitteln zwischen den Menschen und der sie umgebenden Welt“, sagt Ruddoff. Im Kunstreiseführer „Destination Art: 500 Artworks Worth the Trip“ (erschienen 2018 im Phaidon Verlag) wird ihr Werk Hommage an den Wind sogar als eines von weltweit 500 lohnenswerten Reisezielen empfohlen.
Die Arbeit der Künstlerin hat bis heute auch einen starken akademischen Bezug. Neun Jahre lang unterrichtete sie an unterschiedlichen chilenischen Universitäten.
Eher sozial und bürgerschaftlich ausgerichtet war das interdisziplinäre Low-Budget-Projekt „Santiago Amable“, für das Alejandra Ruddoff sich zwischen 1997 und 2009 gemeinsam mit anderen Akteuren in Chiles Hauptstadt engagierte. Mittels künstlerischer Interventionen wurde ein Raum für Bürger geschaffen, um Ideen für eine „lebenswerte Großstadt“ zu entwickeln. „Aus heutiger Sicht war Santiago Amable eine Art Vorläufer der cabildos culturales*, die wir aktuell in Chile sehen können“, findet sie.
In einem anderen sozialen Projekt, „Memorial Paine, un lugar para la Memoria“ (2007), traf sie sich mit Menschen, die das Verschwinden ihrer Familienmitglieder unter der Diktatur zu verarbeiten suchten, um gemeinsam mit ihnen Familien-Mosaiks zu erstellen. Auch hier galt: jeder Mensch ein Universum. Website der Künstlerin
*cabildo = offene Bürgerversammlung
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