Die Verbreitung des Corona-Virus hat für die deutsche und internationale Wirtschaft bisher noch nicht absehbare Folgen: Unternehmen haben mit drastischen Umsatzeinbrüchen zu kämpfen, der deutsche Aktienindex Dax stürzt ab, die Ölpreise sinken. Die Bundesregierung ist bemüht, die negativen Folgen der Corona-Krise durch Sofortmaßnahmen einzudämmen. Doch wie wirksam sind diese angesichts der sich zuspitzenden Lage auch in Deutschland? Prof. Dr. Gunther Schnabl, der Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig, gibt Antworten auf diese und andere drängende Fragen.
Herr Prof. Schnabl, die Ausbreitung des Corona-Virus und ein drastischer Sturz des Ölpreises sorgen für große Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wohin könnte diese Entwicklung noch führen und wie kann ihr Einhalt geboten werden?
Hinsichtlich der möglichen Ursachen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten müssen mindestens drei mögliche Gründe unterschieden werden. Erstens galten die Aktienpreise aufgrund der anhaltend expansiven Geldpolitiken bereits lange Zeit als überbewertet. Zweitens wurde bereits seit Ende 2019 in vielen Ländern ein Abschwung erwartet oder hatte bereits eingesetzt. Drittens haben das Corona-Virus beziehungsweise die Reaktion politischer Entscheidungsträger auf das Virus die Rezessionserwartungen verstärkt. Es droht wohl eine schmerzhafte Krise. Inwieweit diese dem Virus zuzuschreiben ist, ist unklar. Die Wirtschaftspolitik müsste berücksichtigen, dass die Probleme tiefer liegen.
Die Koalition hat ein umfangreiches Paket zur Abfederung von wirtschaftlichen Folgen der Corona-Virus-Krise beschlossen. Reicht das aus oder muss noch mehr getan werden, um die deutsche Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten?
Das ist schwer zu sagen, weil die realwirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus noch nicht voll abzusehen sind. Einige Beobachter sind der Meinung, dass die Krise derzeit medial verstärkt wird. Auch können die Finanz- und Geldpolitiken kein Virus bekämpfen. Neben dem erwarteten Abschwung durch die Absage von Großveranstaltungen und möglicherweise unterbrochene Lieferketten gibt es große Strukturprobleme in der deutschen Wirtschaft. Das sind die Abkehr vom Verbrennungsmotor, die hohe Exportabhängigkeit und die Zombifizierung der europäischen Wirtschaft durch anhaltend niedrige Zinsen. Die Corona-Krise könnte dazu führen, dass diese grundlegenden Strukurprobleme aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit rücken und damit ungelöst bleiben.
Was halten Sie von dem Vorschlag aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, zeitlich befristet die Mehrwertsteuer zu senken?
Dadurch könnte der Konsum von Gütern und Dienstleistungen angeregt werden. Der erwünschte Effekt könnte jedoch auch ausbleiben, wenn wegen des Virus viele Menschen zu Hause bleiben und aus Angst mehr sparen. Ich würde eher für eine langfristige Senkung der Mehrwertsteuer plädieren, weil dadurch auf Dauer die Kaufkraft der Bürger gestärkt würde. Begleitend wären eine effizientere Gestaltung der Staatsausgaben und der Abbau von Regulierung nötig. Eine vorsichtig straffere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank würde das Vertrauen in das Geld- und Finanzsystem wieder stärken.
Die chinesische Wirtschaft liegt am Boden. Welche Auswirkungen hat das auf die deutsche und die Weltwirtschaft?
Die Ursachen für Wachstumsschwäche in China liegen tiefer. Zwischen 2001 und 2014 wurden in China mit Hilfe von viel billigem Kapital aus den Industrieländern große Überkapazitäten in der Industrie aufgebaut. Im Jahr 2014 ist diese Blase geplatzt, sodass seither die chinesische Wirtschaft an Fahrt verliert. Weil die chinesische Regierung mit billigen Krediten einen Abbau der Überkapazitäten verhindert, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, werden Chinas Wachstumskräfte weiter erlahmen. Deutschland und die Weltwirtschaft können sich nicht mehr darauf verlassen, dass China die globale Konjunkturlokomotive bleiben wird. Jetzt helfen nur noch umfassende Reformen, die nicht kostenlos zu haben sind.
„Ich würde eher für eine langfristige Senkung der Mehrwertsteuer plädieren, weil dadurch auf Dauer die Kaufkraft der Bürger gestärkt würde. Begleitend wären eine effizientere Gestaltung der Staatsausgaben und der Abbau von Regulierung nötig. Eine vorsichtig straffere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank würde das Vertrauen in das Geld- und Finanzsystem wieder stärken.“
Bravo! Dieser Herr hat nicht nur die Funktion der Mechanismen begriffen, er hat auch den Mut, sie öffentlich beim Namen zu nennen. Ansonsten hört man immer nur Dinge wie, „die Besserverdienenden stärker belasten!, die Kinderreichen stärker unterstützen“… Diese bis zu einem gewissen Punkt vertretbaren „sozialen“ Forderungen sind inzwischen überholt, weil durch maßlose Übertreibung ins Asoziale pervertiert. Sie verschrecken jeden, der gerne Arbeitsplätze schaffen oder erhalten würde. Wer Kühe melken will, muß ihnen saftige grüne Weiden und Musik im Stall anbieten. Sonst soll er sich seine Milch aus den eigenen Brustwarzen saugen!