Die COVID19-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf den Naturschutz rund um den Globus. Das geht aus einer Sammlung neuer Forschungsarbeiten hervor, die die Weltnaturschutzunion IUCN am Donnerstag (11.) veröffentlichte. Die Naturschutzorganisation WWF, die an einigen Berichten mitgearbeitet hat, warnte davor, dass die Menschheit mit der Natur und gesunden Ökosystemen den wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen zukünftige Pandemien verlöre. „Naturschutz ist systemrelevant, denn die Natur ist das System schlechthin. Was sie an Leistungen für uns erbringt, ist die Grundlage unseres Lebens und unserer Zivilisation“, warnte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland.
Laut dem IUCN-Papier war mehr als die Hälfte der afrikanischen und ein Viertel der asiatischen Schutzgebiete gezwungen, Schutzmaßnahmen wie Anti-Wilderei-Patrouillen einzustellen oder zu reduzieren. Ranger und Wildhüter verloren ihren Job. Erschwerend hinzu kommt der Einbruch des Tourismus: In Brasilien wird geschätzt, dass die reduzierte Besucherzahl zu einem Umsatzverlust von 1,6 Milliarden US-Dollar führte, während in Namibia kommunale Schutzgebiete nach ersten Schätzungen 10 Millionen US-Dollar an direkten Tourismuseinnahmen verlieren könnten.
„Wir müssen beobachten, dass die Einnahmen für Naturschutzprojekte etwa aus nachhaltigem Tourismus in Folge der Pandemie abnehmen, während zugleich weltweit Staaten massiv Mittel aus dem Naturschutz abziehen oder Naturschutzregelungen lockern oder komplett außer Kraft setzen “, so Heinrich. Es brauche daher dringend ein Notfallprogramm und Soforthilfen. Einerseits direkt für die Schutzgebiete, damit deren Arbeit nicht zusammenbreche. Andererseits für die lokale Bevölkerung vor Ort, deren Lebensunterhalt etwa von Tourismuseinnahmen abhängt. „Wer aufgrund der Verwerfungen dieser Pandemie plötzlich nicht mehr weiß, wie er seine Familie satt bekommen und seinen Lebensunterhalt finanzieren soll, für den ist die Versuchung groß, in die Schutzgebiete zu gehen, um dort illegal zu jagen oder durch verbotenen Holzeinschlag wenigstens ein bisschen Geld in die Tasche zu bekommen. Genau das müssen wir verhindern“, so Heinrich.
Es gehe längst nicht mehr nur um die Beseitigung eines Umweltproblems, so der WWF-Vorstand weiter. Vielmehr gelte: „Ob Gesundheitspolitik, Straßenbau oder Haushaltsplanung: Naturschutz muss mitgedacht werden. Das hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie schmerzlich vor Augen geführt. Schließlich war der Sprung eines Virus vom Wildtier auf den Menschen wohl Auslöser dieser Katastrophe.“ Es gilt in der Wissenschaft als Konsens, dass Umweltzerstörung Krankheits-Übersprünge von Wildtieren auf Menschen wahrscheinlicher machen. Wenn vitale Ökosysteme zerstört werden und natürliche Barrieren wegfallen, bringt das Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Durch die Umweltzerstörung geraten nicht nur Tierarten ins Ungleichgewicht, auch Erreger-Dynamiken verändern sich. Außerdem entsteht eine neue, räumliche Nähe zum Menschen. So zeigt etwa eine brasilianische Studie aus 2010: Die Abholzung von vier Prozent eines Waldes ging mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle einher.
„Es zeigt sich gerade leider auch, dass die Entscheidungsträger weltweit den Naturschutz in den Konjunkturpaketen und der Wirtschaftspolitik weiterhin eher untergraben als unterstützen. Ein Beispiel von vielen ist hier das jüngst beschlossene deutsche Lieferkettengesetz“, so Heinrich. Nach monatelanger Blockade durch Teile der Bundesregierung spielen Umweltstandards in dem aktuellen Entwurf nur eine Nebenrolle. „Das deutsche Lieferkettengesetz hätte ein wichtiger Schritt sein können – zu einer Wirtschaft, die planetare Grenzen berücksichtigt, natürliche Ökosystem bewahrt und den vorschreitenden Verlust der Artenvielfalt verhindert. Leider hat die Bundesregierung in dieser Hinsicht nicht geliefert“, bilanziert der WWF-Vorstand.
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