Die Covid-19-Krise vertieft die Kluft zwischen Vorreitern und Nachzüglern der Energiewende. In einer neuen Publikation geben IASS-Wissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen einen Überblick über die globalen Auswirkungen der Pandemie auf den Energiesektor. Ihre Ergebnisse zeigen: Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen brauchen mehr Unterstützung beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Im Energiesektor hat die Krise zu einer Verstärkung bereits bestehender Trends geführt: Die führenden Länder der globalen Energiewende setzen den Ausbau der erneuerbaren Energien fort. Der europäische Green Deal wirkt und hat sogar den Nachzügler Polen dazu angeregt, seine erst am Anfang stehende Energiewende zu beschleunigen. In Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen hingegen verschärft die Pandemie die Finanzierungsprobleme und behindert damit Investitionen in erneuerbare Energien. In Lateinamerika sind diese Trends besonders deutlich: Dort wurden alle Auktionen für erneuerbare Energien eingestellt.
Krise verstärkt Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen
In Ländern, deren Wirtschaft stark von fossilen Brennstoffen abhängt, haben die Regierungen diesen Sektoren erhebliche Unterstützung zugesagt. Abhängigkeiten werden so gefestigt. In Indonesien beispielsweise unterstützt die Regierung die Kohleindustrie des Landes mit Steuererleichterungen und der Absenkung regulativer Anforderungen, während Pläne für den Ersatz älterer, fossilbetriebener Kraftwerke durch erneuerbare Energien zurückgefahren wurden.
Nicht überall gingen Hilfen für die fossile Energiewirtschaft jedoch automatisch mit einem verlangsamten Ausbau der erneuerbaren Energien einher, sagt Leitautor Rainer Quitzow: „Innerhalb einiger großer Länder beobachten wir entgegengesetzte Tendenzen. Die USA und Kanada, beide große Öl- und Gasexporteure, wurden vom Zusammenbruch der Nachfrage hart getroffen und sagten dem fossilen Sektor staatliche Unterstützung zu. Das wird den Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern jedoch zunächst nicht unbedingt bremsen, weil Vorreiterregionen wie Kalifornien den Verzicht auf fossile Energieträger weiter vorantreiben.“ In China haben sich Provinzregierungen entschieden, vor allem in Kohlekraftwerke und zum Teil in Ölraffinerien zu investieren, während die Zentralregierung die Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter erhöhte.
Im Globalen Süden hat die Coronakrise das ohnehin schwierige Investitionsklima für erneuerbare Energien weiter verschlechtert. Zum einen drohen sinkende Staatseinnahmen in eine Schuldenkrise zu münden, was zu einer Abwertung der Währungen und erhöhten Kreditkosten führt. Da erneuerbare Energien besonders kapitalintensiv sind, dürften Investitionen in diesen Sektor überproportional sinken. Zum anderen führt die wirtschaftliche Notlage zu einem Anstieg der Zahlungsausfälle bei den Stromrechnungen. In mehreren Ländern haben die Regierungen darauf reagiert, indem sie die Zahlung von Stromrechnungen für die Verbraucher aussetzten und die Strompreise senkten. Dies übt zusätzlichen Druck auf den Versorgungssektor in diesen Ländern aus, da es die Investitionsrisiken im Stromsektor erhöht.
Europäischer Green Deal kann Vorbild sein
Die Dekarbonisierung in den am wenigsten entwickelten Ländern müsse stärker in den Fokus von Wissenschaft und Politik rücken, so Quitzow: „Es ist höchste Zeit, die Misere der von fossilen Brennstoffen abhängigen Volkswirtschaften auf internationaler Ebene anzugehen. Die Covid-19-Krise hat die dringende Notwendigkeit unterstrichen, ähnliche Programme wie den europäischen Green Deal in von fossilen Brennstoffen abhängigen Ländern und Regionen auf der ganzen Welt zu entwickeln. Dies wird die Entwicklung neuer internationaler Partnerschaften und Finanzierungsvereinbarungen erfordern, die explizit auf die Herausforderungen der von fossilen Brennstoffen abhängigen Regionen zugeschnitten sind.“ Eine konzertierte internationale Anstrengung sei erforderlich, um die doppelte Herausforderung der wirtschaftlichen Erholung und des globalen Kampfes gegen den Klimawandel zu bewältigen.
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