Eine Genduplikation führt dazu, dass südamerikanische Frösche der Gattung Leptodactylus resistent gegen bestimmte Gifte sind. Dies hat ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg herausgefunden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Erforschung von Genduplikaten dabei helfen kann, wichtige genetische Wechselwirkungen zu identifizieren. Die Genduplikation ist ein mächtiges Werkzeug in der Evolution, weil sie eine Kopie des Gens ohne schädliche Auswirkungen für den Organismus erzeugt. Die zusätzliche Kopie dient quasi als Sicherheits-Backup des Genmaterials, so dass die andere Kopie freier mutieren und möglicherweise eine neue Funktion erhalten kann. Wissenschaftlerinnen des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg haben nun in einer Studie die Evolution einer Genduplikation bei Fröschen der Gattung Leptodactylus erforscht und so den Mechanismus entschlüsselt, der zu einer spezialisierten Anpassung bei den Tieren führte, die sie gegenüber herzaktiven Steroiden resistent macht. Grasfrösche ernähren sich unter anderem von Kröten, die diese Gifte als Verteidigung gegen die Grasfrösche einsetzen.
Für die Studie analysierte das internationale Forschungsteam genetisches Material verschiedener Arten der Leptodactylus und fand heraus, dass eine Duplikation des Gens ATP1A1 in Vorfahren dieser Frösche zu ihrer Resistenz führte. ATP1A1 codiert ein Enzym (ATPase), das für alle tierischen Zellen lebenswichtig ist: die Natrium-Kalium-Pumpe (oder Na+K+-ATPase). „Auffällig war, dass alle Arten zwölf Aminosäureveränderungen in dem duplizierten Gen gemeinsam hatten, die nicht in den ursprünglichen Genen vorkamen“, sagt Prof. Dr. Susanne Dobler vom Fachbereich Biologie und Mitautorin der Studie.
Darüber hinaus zeigten die DNA-Muster, dass außerhalb dieser zwölf Veränderungen alles andere zwischen dem ursprünglichen und dem duplizierten Gen über zehn Millionen Jahre sehr ähnlich geblieben war. Das Team fand heraus, dass diese Ähnlichkeit durch einen molekularen Mechanismus verursacht wurde, der die Evolution von Genduplikaten einschränkt, indem er dafür sorgt, dass duplizierte Gene identisch bleiben (bekannt als nicht-allelische Genkonversion). Weitere Analysen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergaben, dass es den zwölf Veränderungen gelang, dieser Kraft durch die natürliche Selektion zu entkommen – die zwölf Veränderungen sind demnach wichtig für das Überleben der Frösche.
Zwei der Aminosäure-Substitutionen sind dafür bekannt, dass sie gegen herzaktive Steroide Resistenz bieten. Die Glykoside beeinflussen die Natrium-Kalium-Pumpen und deaktivieren sie. Im schlimmsten Fall kann dies für die Jäger tödlich enden. „Da die Frösche dafür bekannt sind, dass sie sich von Kröten ernähren, macht es durchaus Sinn, dass sie eine Kopie dieses Gens besitzen, dass sie gegen die Toxine resistent macht“, sagt Dr. Shabnam Mohammadi, Mitautorin der Studie, die derzeit am Fachbereich Biologie bei Prof. Dr. Dobler forscht. „Es ist ein Lehrbuchbeispiel für die sogenannte Neofunktionalisierung, bei der ein Gen nach einem Duplikationsereignis eine neue Funktion erlangt.“ In diesem Fall entwickelte sich eine neue Funktion zwischen einer resistenten Genkopie, der sogenannten R-Kopie, und einer Kopie, welche die ursprüngliche Anfälligkeit beibehielt, die S-Kopie.
Allerdings zeigte sich bei Protein-Engineering-Experimenten und funktionellen Assays auch, dass die zwei Aminosäure-Substitutionen einen hohen Preis haben: Wenn sie sowohl einzeln als auch zusammen in das S-Protein eingefügt werden, reduzieren sie die Aktivität des Enzyms (Na+K+-ATPase) drastisch. Die resistenzfördernden Substitutionen bieten also einen Vorteil auf Kosten der Enzymfunktion. „Hier zeigt sich die funktionelle Bedeutung der anderen zehn Substitutionen“, sagt Mohammadi. „Denn als wir die zehn Aminosäure-Substitutionen zusammen mit den zwei resistenzfördernden Substitutionen addiert haben, wurde die Enzymaktivität gerettet.“
Die zwei Substitutionen erhöhen also die Toxinresistenz der Frösche, während die zusätzlichen zehn Substitutionen die ATPase-Aktivität unterstützen. Die Ergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, wie die Erforschung der genetischen Signale der Evolution helfen kann, wichtige funktionelle Veränderungen, die den Anpassungen zugrunde liegen, aufzuspüren.
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