Kolumbien: Steigende Gewalt und Umweltzerstörung

nebel

Regenwald in Kolumbien (Foto: Pablo_Mejía/WWFColombia)
Datum: 02. Oktober 2021
Uhrzeit: 09:41 Uhr
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Autor: Redaktion
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Seit dem Friedensvertrag zwischen Regierung und der Rebellenarmee FARC im Jahr 2016 haben sich die Menschenrechts- und Umweltkrisen in Kolumbien massiv verschärft. Das geht aus einer aktuellen Studie des WWF in Zusammenarbeit mit der Denkfabrik adelphi, der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation FIP und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt hervor. Das südamerikanische Land zählt mittlerweile zu den gefährlichsten Ländern für Menschen, die sich für den Umweltschutz einsetzen. Mit 65 von weltweit 227 erfassten Tötungen von Umweltschutzaktivisten im Jahr 2020 führt Kolumbien die Statistik mit großem Abstand an. Gleichzeitig ist die Entwaldung in bisher nie dagewesene Höhen geschnellt: Allein im ersten Halbjahr 2020 stieg sie um 83 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum in 2019. Die zunehmende Ausbeutung von Ressourcen und illegale wirtschaftliche Aktivitäten, insbesondere der Anbau von Kokapflanzen, der unregulierte Goldabbau, die Viehzucht und Landwirtschaft haben nicht nur zu mehr Umweltzerstörung und Entwaldung geführt, sondern Kolumbien auch in eine neue Spirale der Gewalt gestoßen. Lokale Gemeinschaften, Nichtregierungsorganisationen und staatliche Einrichtungen, die sich um den Schutz des kolumbianischen Amazonasgebiets bemühen, geraten immer häufiger mit mächtigen und schwer bewaffneten Gruppierungen in Konflikt. Im besten Fall werden sie lediglich an ihrer Arbeit gehindert, im schlimmsten Fall bedroht, missbraucht oder gar getötet.

„Die Hoffnungen auf Frieden und Sicherheit haben sich mit dem Waffenstillstand von 2016 leider nicht erfüllt. Stattdessen hat sich die Krise mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens noch verschärft. Kolumbien ist heute in einer neuen Spirale der Gewalt gefangen, die immer mehr Opfer fordert. Wir sehen, wie Umweltzerstörung und der erbarmungslose Kampf um Ressourcen die Lebensgrundlagen unzähliger Menschen im Land vernichten. Gleichzeitig treibt die Waldzerstörung die weltweite Klimakatastrophe an“, sagt Dr. Julia Gorricho, Südamerika-Referentin beim WWF Deutschland.

Besonders stark betroffen sind indigene Gemeinschaften. Sie verlieren ihr Land, werden Opfer von Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Vertreibung. Gerade im Amazonasgebiet ist die Lage dramatisch. Zwischen 2016 und 2019 wurden hier sieben Umweltschützer ermordet und zehn Anführer von indigenen Gemeinschaften und Umweltorganisationen bedroht. Daneben sind viele weitere Fälle von Angriffen, Zwangsvertreibungen und sexuellen Übergriffen bekannt. Auch Staatsbedienstete, die im Umweltschutz arbeiten, sind gefährdet. Im Februar 2020 forderte eine Dissidentengruppe der ehemaligen FARC die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalparks im Amazonasgebiet dazu auf, die Schutzgebiete innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Um ihre Leben zu retten kamen die Beamten der Aufforderung nach.

„Mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens hat sich die Dynamik des Konflikts und der Umweltzerstörung erheblich verändert. Ein komplexes und sich ständig veränderndes Netzwerk bewaffneter Gruppierungen, privatwirtschaftlicher Akteure und korrupter Beamter nutzt das Machtvakuum, das durch die Demobilisierung und Entwaffnung der FARC entstanden ist, um ihre Macht und ihre illegalen wirtschaftlichen Aktivitäten auszuweiten. Die Folge sind eine nie dagewesene Geschwindigkeit der Ressourcenausbeutung im kolumbianischen Amazonas“, sagt Lukas Rüttinger, Senior Advisor bei adelphi.

Die Region ist in einem Teufelskreis aus gesellschaftlichen Konflikten und Umweltzerstörung gefangen. Die Abholzung des Regenwaldes, angetrieben durch die fortwährende Instabilität, beschleunigt die globale Klimakrise. Gleichzeitig können die Ökosysteme des Amazonas aufgrund der Entwaldung und Umweltverschmutzung den Auswirkungen der Erderhitzung immer weniger standhalten. Veränderungen der Wasserverfügbarkeit, Navigierbarkeit der Flüsse und Wettermuster sind bereits spürbar und gefährden die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung massiv. Menschen geraten immer stärker unter Druck, illegalen Tätigkeiten wie dem Kokaanbau nachzugehen oder sich bewaffneten Gruppierungen anzuschließen.

Bisher konnte der Staat weder die Entwaldung stoppen noch die gefährdeten Personen wirksam schützen. Vor allem aber bestehen die tiefgreifenden Ungleichheiten in der Bevölkerung fort, die dem jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt zugrunde liegen. Die verzögerte Umsetzung der im Friedensabkommen vereinbarten Maßnahmen, beispielsweise der umfassenden Landreform, trägt dazu bei, dass der Konflikt neue Formen annimmt.

Zur Überwindung der kolumbianischen Menschenrechts- und Umweltkrise bedarf es laut Autorinnen und Autoren der Studie vielfältiger Maßnahmen: „Die dringendste Aufgabe ist es aktuell, die Menschen vor direkter Gewalt zu schützen“, so Juan Carlos Garzon, Wissenschaftlicher Mitarbeiter von FIP. „Das erreicht man jedoch nicht nur durch Bekämpfung der Kriminalität. Die sozialen Konflikte des Landes können nur entschärft werden, wenn gleichzeitig die Armut zurückgedrängt wird und sich neue Perspektiven für die Menschen eröffnen. Wichtig ist auch, dass die lokalen Gemeinschaften im Amazonasgebiet größere Unterstützung erhalten, damit sie sich besser vor den gesellschaftlichen Konflikten und den Folgen der Erderhitzung schützen können.“

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