Das Escazú-Abkommen als Hoffnungsträger für die Umwelt in Lateinamerika? – Update

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Durch das Abkommen soll beispielsweise der illegale Goldabbau besser bekämpft werden (Foto: Ibama)
Datum: 09. Oktober 2021
Uhrzeit: 09:50 Uhr
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Autor: Redaktion
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Wir schreiben den 22. April 2021. Es ist der Internationale Tag der Erde und es bewegt sich etwas: Als Zwölfter und damit letzter für die Ratifizierung notwendiger Staat unterzeichnet Mexiko das Escazú-Abkommen. Ziel des Abkommens soll es sein, die regionale Transparenz und Umweltstandards in den Staaten der Karibik und Lateinamerikas zu regeln. Schon im Jahr 1992 hat man mit der Erklärung von Rio ähnliches versucht, doch die Bemühungen reichten damals nicht aus, um viel zu verändern.

Das Abkommen, so wie es heute existiert, wurde bereits im Jahr 2012 formuliert – nun, fast zwanzig Jahre später freut man sich über die Ratifizierung. Doch um zu verstehen, worum genau es sich beim Abkommen von Escazú handelt und wie einschneidend dieser Meilenstein für Lateinamerika und die Karibikstaaten tatsächlich ist, braucht es Hintergrundwissen.

Worum geht es in diesem Abkommen genau?

Regionale Transparenz und Umweltstandards: Auch wenn knackige Formulierungen aus rhetorischer Sicht das Nonplusultra sind, wirken diese beiden Begriffe auf Laien eher kryptisch. Um zu verstehen, was man mit dem Abkommen erreichen möchte, ist es von Vorteil, die Stichworte in ihren Kontext einzubetten.

Im Jahr 2012 hat man den Zweck des Escazú-Abkommens zum ersten Mal schriftlich erläutert: Es sollte sich um ein „Abkommen für den Zugang zu Justiz, Information und öffentlicher Teilhabe in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und der Karibik“ handeln. Im Grunde geht es also darum, Regularien für den Umgang mit Dingen zu erschaffen, die Einfluss auf die Umwelt nehmen. Wichtige Kernbestandteile sind dabei die Bürgerbeteiligung in Umweltfragen, die Möglichkeit, Gerichte mit Umweltthemen zu beauftragen und Informationen rund um das Thema für alle verfügbar zu machen.
Vorrang hat dabei jedoch in einigen Staaten, die sich am Abkommen beteiligt haben, der Kampf gegen die Ausbeutung von Bodenschätzen. Seit den 90er Jahren werden die Ressourcen Lateinamerikas nämlich im großen Stil genutzt – hauptsächlich natürlich für den Export. Zu den beliebtesten Rohstoffen der Länder Chile, Brasilien, Peru und Mexiko zählen vor allem Lithium, Kupfer, seltene Erd-Arten, Erdöl, Silber und vor allem auch Gold.

Hintergrund des Abkommens

Länder, die seltene oder wertvolle Bodenschätze hervorbringen, stehen immer im globalen Interesse. Ein besonderes Wirtschaftsinteresse hegen dabei die Nationen, denen bestimmte Bodenschätze entweder komplett fehlen und solche, für die der Import kostengünstiger ist als eine Förderung auf eigenem Boden. Werden die natürlichen Ressourcen eines Landes für den Export ausgebeutet, spricht man von Extraktivismus.

Nun kann man argumentieren, dass Nationen durch den Export von gefragten Rohstoffen ihr Bruttoinlandsprodukt erhöhen können. Doch diese Argumentation weist zwei Lücken auf: Einerseits kann man die schnelle Ausbeutung durch spontanes wirtschaftliches Interesse nicht mit einem steten und gesunden Abbau von Rohstoffen vergleichen. Andererseits sind Bodenschätze oft ein wichtiger Bestandteil von Ökosystemen und Lebensräumen. Für ihre Gewinnung werden daher oft Ökosysteme zerstört und ländliche oder indigene Bevölkerungen vertrieben. Neben der Zerstörung ihres Lebensraumes kommen aber noch weitere Probleme dazu – beispielsweise ein durch den Abbau bedingter Trinkwassermangel.

Laut den Vereinten Nationen gibt es in keiner Region dieser Welt so viele Umweltkonflikte im Bergbausektor wie in der Karibik. Wie es zu dieser Art der Konflikte kommen kann, wird im nachfolgenden Abschnitt am Beispiel Gold dargelegt.

Gütesiegel wie den Fairtrade-Standard bei Gold

Gold zählt aufgrund seines hohen intrinsischen Wertes weltweit zu den beliebtesten Geldanlagen – sei es in Form von Schmuck, Dekor oder als Barren im Banktresor. Wer in Gold investieren möchte, wählt damit einen der sichersten und bewährtesten Geldspeicher für sein Kapital. Es empfiehlt sich aber, zunächst Anfängertipps für Goldhandel einzuholen.

Die peruanische Provinz Cajamarca verfügt über ein großes Goldvorkommen. Genau aus diesem Grund hat man dort jahrelang im großen Stil Gold abgebaut. Man sollte meinen, Cajamarca gehöre deshalb zu den wohlhabenden Regionen Perus, doch genau das Gegenteil ist der Fall: Durch giftiges Abwasser im Abbaubereich fehlt der Provinz sauberes Trinkwasser. Landvertreibungen führten zu Konflikten. Doch vor allem das Fehlen von Einnahmerückflüssen aus dem Abbau an die Provinz sorgt für Armut – ein Unding, dennoch ist solch eine Entwicklung in vielen lateinamerikanischen und karibischen Staaten keine Seltenheit.

Dank eines Abkommens ist es heute möglich, Fairtrade Gold aus Peru zu kaufen, das nachhaltig abgebaut wurde. Vom Abbau profitiert durch den neuen Rechtsrahmen jetzt auch endlich die Bevölkerung. Analog dazu soll nach dem Escazú-Abkommen nun auch mit einigen Bodenschätzen in anderen Staaten und Provinzen verfahren werden.

Eine lange Geschichte des Escazú-Abkommens

Der Weg zur Ratifizierung des Abkommens von Escazú war steinig. Bedenkt man, dass die Anfänge bereits im Jahr 1992 und damit fast dreißig Jahre zurückliegen, erkennt man folgendes: Es müssen Gründe vorliegen oder vorgelegen haben, die Umsetzung eines derartigen Abkommens zu verhindern oder zumindest in die Länge zu ziehen.

Dem Escazú-Abkommen gingen deshalb viele einzelne Verträge und kleinere Abkommen voraus, deren Abschluss vor allem von den Vereinten Nationen vorangetrieben wurden. Es war wichtig, einen rechtlichen Rahmen gegen die Ausbeutung von Bodenschätzen und für die Menschenrechte in Hinblick auf Aktivismus und Umweltschutz festzulegen. 2012 begann die Formulierung des aktuellen Abkommens, doch erst im Jahr 2018 begann der Ratifizierungsprozess. Die Ratifizierung des Abkommens ist daher ein gewaltiger Meilenstein – am Ziel ist man dennoch nicht angelangt.

Insgesamt sollen 24 Nationen das Abkommen unterzeichnen und ratifizieren. Bisher haben es aber nur zwölf Staaten getan, nämlich Antigua und Barbuda, Argentinien, Bolivien, Nicaragua, Ecuador, Guyana, Panamá, Saint Vincent and the Grenadines, Saint Kitts and Nevis, Saint Lucia, Uruguay und Mexiko. Obwohl Peru beispielsweise maßgeblich an der Ausgestaltung des Abkommens beteiligt war und unterzeichnet hat, blieb eine Ratifizierung dort bisher aus. Der Weg hin zu einem Lateinamerika und einer Karibik mit mehr Menschenrechten und Umweltrechten bleibt also weiterhin steinig.

Unbefriedigende Unterzeichnung

Wie eben dargestellt, hat bisher nur die Hälfte aller relevanten Staaten das Abkommen ratifiziert. Zwar kann es dennoch in Kraft treten, doch ist der Effekt dadurch eben nur halb so groß wie erhofft. Es stellt sich also die Fragen, weshalb einige Nationen weiterhin zögern. Man kann nur vermuten, dass der vorrangige Grund dafür wirtschaftliches Interesse ist.

Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang

Wird die Rohstoff-Ausbeutung eines Landes zum bürokratischen und damit auch trägen Akt, bedeutet das für die beteiligten Unternehmen ein Plus an Zeit, ein Plus an Aufwand und letztlich ein Minus an Erträgen. Was aus menschenrechtlicher und umweltrechtlicher Sicht verwerflich erscheint, ist jedoch letztlich nichts anderes als wirtschaftliches Interesse. Dieses wird in der Prioritätenliste in einigen Staaten noch immer weiter oben angesiedelt als der Schutz von Land und Leuten.

Die Vereinten Nationen stehen jedoch weiterhin in Verhandlungen mit den zögerlichen Nationen. Läuft die Umsetzung des Escazú-Abkommens in den Unterzeichnerstaaten gut an, könnte dies im besten Fall das Zünglein an der Waage für die Unentschlossenen sein. Es bleibt also zu hoffen, dass die restlichen zwölf Ratifizierungen in den kommenden Jahren folgen werden.

Wie ist der Ausblick

Auch wenn Menschenrechtler und Umweltrechtler nicht zufrieden mit dem bisherigen Ausmaß der Ratifizierungen sind, darf man das Escazú-Abkommen als großen Meilenstein betrachten. Es legt die Basis für bessere Bürgerbeteiligung, für umfassenderen Informationsfluss und für den Schutz wichtiger Ökosysteme und schützenswerter Bevölkerungsgruppen. Erstmals gibt es in Lateinamerika und in der Karibik einen übergeordneten Rechtsrahmen, der diese schützenswerten Güter bewahren kann.

Man darf also hoffen, dass sich die Lage in diesen Nationen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten maßgeblich verbessern wird: Während der Rechtsrahmen durch das Abkommen den Schutz der Umwelt begünstigt und Aktivisten vor harten Strafen schützt, kann er außerdem zu mehr Wohlstand beitragen. Ein fairer Abbau von Bodenschätzen unter finanzieller Beteiligung der jeweiligen Provinzen könnte zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensumstände führen. Und genau das ist es letztlich, was die Vereinten Nationen sowie die Mitgliedsstaaten des Escazú-Abkommens mit der Ratifizierung erreichen wollen.

Update, 11. Oktober 2022

Der kolumbianische Kongress hat an diesem Montag das Escazú-Abkommen ratifiziert, das 2019 von der Regierung von Iván Duque unterzeichnet wurde und das erste große Umweltabkommen in der lateinamerikanischen Region seit seinem Inkrafttreten im April 2021 darstellt. Die Länder, die das Abkommen bereits unterzeichnet und ratifiziert haben, sind Antigua und Barbuda, Argentinien, Bolivien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Mexiko, Nicaragua, Panama, Uruguay, St. Kitts und Nevis, St. Vincent und die Grenadinen und St. Lucia. Diejenigen, die den Pakt nur unterzeichnet haben, sind Belize, Brasilien, Costa Rica, Dominica, Grenada, Guatemala, Haiti, Jamaika, Paraguay, Peru und die Dominikanische Republik. Länder, die derzeit nicht am Escazú-Programm teilnehmen: Bahamas, Barbados, Kuba, El Salvador, Honduras, Suriname, Trinidad und Tobago und Venezuela.

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