Kosteneffizienz versus Kundenzufriedenheit: Das Boarding, also das Einsteigen der Fluggäste in ein Flugzeug, ist für Fluggesellschaften ein zeitkritischer Prozess, der die „Turnaround Time“, also die Zeit, die ein Flugzeug zwischen Ankunft und erneutem Abflug am Gate verbringt, maßgeblich beeinflusst. Eine wenige Minuten kürzere Turnaround-Zeit kann bei großen Airlines jährlich viele Millionen Euro einsparen. Die Notwendigkeit des schnellen Boardings und die Zufriedenheit der Fluggäste schienen bislang komplementäre Ziele zu sein. Fluggäste empfinden den Boardingprozess überwiegend als zeitraubend, anstrengend und teilweise auch unangenehm. Ein internationales und interdisziplinäres Team aus Forscherinnen und Forschern hat nun einen ersten Schritt in Richtung Verbesserung der Kundenzufriedenheit gemacht.
Univ.-Prof. Dr. Florian Jaehn und Dr. Simone Neumann, Professur für Management Science und Operations Research, haben gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Israel und Norwegen 1.500 Fluggäste, die zu gleichen Teilen aus Deutschland, Israel und den Vereinigten Staaten stammten, nach ihren Präferenzen befragt. Die Ergebnisse erschienen jetzt in der Zeitschrift „Operations Research“. Demnach kommt es darauf an, die individuelle Einsteigezeit, also die Zeit, die der einzelne Passagier oder die einzelne Passagierin benötigt, bis er oder sie auf seinem bzw. ihrem Platz sitzt, zu optimieren.
„Bisheriger Stand der Forschung war, dass es für die Verkürzung der Gesamt-Einsteigezeit vorteilhaft ist, langsame Fluggäste, beispielsweise solche mit Bordgepäck, zuerst in das Flugzeug zu lassen. Wir haben jedoch nachgewiesen, dass eine Minimierung der durchschnittlichen individuellen Einsteigezeit erreicht wird, wenn man langsame Passagierinnen und Passagiere zuletzt einsteigen lässt“, erläutert Dr. Simone Neumann.
Ihre individuelle Boardingzeit ist den meisten Fluggästen wichtiger als die Gesamtboardingzeit. Und selbst wenn durch eine kurze Gesamtboardingzeit ein pünktlicher Abflug gewährleistet würde, bevorzugt lediglich rund die Hälfte aller Befragten diese gegenüber einer kurzen individuellen Boardingzeit mit der Gefahr eines verspäteten Abflugs. Bei der Aufteilung der Fluggäste in Boardinggruppen wird eine Aufteilung in zwei bis drei Gruppen von den befragten Personen als am angenehmsten empfunden.
Die Autorinnen und Autoren der Studie schlagen eine neue Einsteigepolitik vor, die das Beste aus beiden Welten bietet. Diese Politik erhöht die Gesamt-Einsteigezeit geringfügig, reduziert aber die durchschnittliche individuelle Einsteigezeit signifikant. Fluggesellschaften, die ihre Kundenzufriedenheit verbessern wollen, sollten ihre Politik überdenken.
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