Alles was er berührte, wurde zu Gold – so eine Sage um König Midas aus der griechischen Mythologie. Weniger magisch, aber dennoch golden geht es bei den mittelamerikanischen Midas-Buntbarschen zu. So entwickeln einige dieser Fische im Laufe ihres Lebens eine leuchtend-goldene bis rote Färbung, die sich deutlich von der vertikal-gestreiften, dunkeltönigen Färbung ihrer Artgenossen abhebt. Bei dem „goldentouch“ (engl. für „Goldene Berührung“), der hierbei mit großer Wahrscheinlichkeit eine Rolle spielt, handelt es sich jedoch nicht um das Wirken der griechischen Gottheit Dionysos, sondern um ein bisher unbekanntes Gen der Fische. Die Beschreibung des Gens sowie die Entdeckung verschiedener Varianten, die für den sogenannten Farb-Polymorphismus der Fische verantwortlich sein könnten, wurden nun durch ein Team aus Wissenschaftlern um den Konstanzer Biologen Prof. Dr. Axel Meyer in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Eine Art, verschiedene Formen
In der Natur kann es vorkommen, dass sich Individuen derselben Art in ihrer Form beziehungsweise ihrer Färbung stark voneinander unterscheiden. In der Wissenschaft spricht man von diesem Phänomen als „Polymorphismus“. Die 13 Fischarten, die zu den mittelamerikanischen Midas-Buntbarschen (Amphilophus cf. citrinellus) gehören und in den Kraterseen Nicaraguas beheimatet sind, bieten dafür ein anschauliches Beispiel: Während diese Fische zunächst stets eine dunkle Färbung aufweisen, nehmen die „genetisch goldenen“ von ihnen im Laufe ihrer Entwicklung eine orangene Färbung an, sodass es unter den erwachsenen Tieren zwei Farbvarianten gibt. Der Farbwechsel von dunkel auf „golden“, der bei etwa zehn Prozent der Tiere stattfindet, ist dabei genaugenommen eine Entfärbung: Die leuchtende orange/gelbe Farbe der erwachsenen „goldenen“ Tiere kommt dadurch zustande, dass im Verlauf von wenigen Wochen mehr und mehr Zellen in der Haut der Fische absterben, die das dunkle Pigment Melanin beinhalten. Das gleiche Pigment, das bei uns Menschen unter anderem die Haar- und Augenfarbe mitbestimmt. Es ist also der Verlust von dunklen, melaninhaltigen Zellen, der die kräftigen Farben der Fische zum Vorschein bringt.
Auf der Suche nach der genetischen Ursache
Da die Färbung der Midas-Buntbarsche die Wissenschaft schon seit ihrer Entdeckung vor über 100 Jahren fasziniert, war bereits bekannt, dass die Goldfärbung von Elterntieren an die Folgegeneration weitergegeben wird. Die Vererbung des Merkmals folgt dabei klassischen Mendelschen Regeln und die Goldfärbung ist das dominante Merkmal. „Ähnlich wie bei uns Menschen liegt der Chromosomensatz der Fische in jeder Zelle in doppelter Ausführung vor. Da die Goldfärbung gegenüber dem dunklen Farbtyp dominant ist, reicht eine einzige genetische Kopie der ‚Goldvariante‘ pro Zelle, damit die Fische im Laufe ihres Lebens die goldene Färbung annehmen“, erklärt Axel Meyer, Professor am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz.
Sogar den Ort, an dem sich die genetische Ursache für den Farbpolymorphismus der Midas-Buntbarsche versteckte, konnte das Labor von Axel Meyer bereits zuvor auf Chromosom 11 eingrenzen. Die für die Färbung der Fische verantwortliche genetische Ursache selbst blieb der Wissenschaft jedoch bisher verborgen. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, analysierten die Forscher daher genetisches Material von dunklen und goldenen Midas-Buntbarschen aus verschiedenen Kraterseen mit einer „Assoziationskartierung“. Die beobachtbare Eigenschaft der Färbung wird durch eine genetische Kreuzung über Generationen hinweg auf eine genetische Karte des Genoms des Fisches kartiert. „Das Erste, was uns jedoch bei dieser Analyse auffiel, waren Ungereimtheiten in den Ergebnissen. Irgendetwas passte nicht so recht, als würde ein Puzzleteil fehlen“, so Axel Meyer.
Das „goldentouch“ Gen
Unter den Konstanzer Biologen kam daher der Verdacht auf, dass das bereits bestehende Vergleichsgenom des Midas-Buntbarsches, das für die Analyse verwendet wurde, in dem Sinne „fehlerhaft“ sein könnte, als dass es das für die Färbung verantwortliche Gen gar nicht enthält. Sie beschlossen daher, mit der neuen „long-read“ Sequenzier-Methode, ein verbessertes Vergleichsgenom herzustellen. Dieser Teil der Studie wurde hauptsächlich von Dr. Claudius Kratochwil, heute Arbeitsgruppenleiter an der Universität Helsinki (Finnland), und Dr. Frederico Henning, heute Professor an der Bundesuniversität Rio de Janeiro (Brasilien), durchgeführt – zwei früheren Postdocs der Arbeitsgruppe von Axel Meyer. Sie sequenzierten dafür das vollständige Genom eines gezüchteten, in Bezug auf die Färbung heterozygoten Midas-Buntbarsches. Heterozygot bedeutet, dass der Fisch auf einer Kopie des Chromosom 11 die genetische Ausstattung für die goldene Farbvariante trug und auf der Anderen die für die dunkle Farbvariante. Anschließend wiederholten die Forscher ihre ursprüngliche Analyse.
„Wir entdeckten in unserem neuen Vergleichsgenom zunächst ein bisher unbeschriebenes Gen auf Chromosom 11, das bei unserem Fisch in zwei unterschiedlichen Varianten vorlag: Variante d für ‚dunkel‘ und Variante G für ‚golden‘“, berichtet Axel Meyer. Eine Wiederholung der Assoziationskartierung ergab dann, dass dieses Gen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit der Färbung der Midas-Buntbarsche in Zusammenhang steht: So zeigten Fische mit einer zweifachen Kopie der d-Variante im Erwachsenenalter eine dunkle Färbung, die mit einer oder zwei Kopien der dominanten G-Variante hingegen eine orange/gelbe Färbung. In Anlehnung an die Sage von König Midas tauften die Forscher das neuentdeckte Gen daher auf den Namen „goldentouch“.
Weiterführende Untersuchungen
Die Ergebnisse lieferten also ein erstes stichhaltiges Indiz dafür, dass das goldentouch-Gen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung verschiedener Farbvarianten bei Midas-Buntbarschen spielen könnte. Um mehr über das neubeschriebene Gen zu erfahren, schlossen die Forscher eine Reihe molekularer Folgeuntersuchungen an. Sie stellten dabei zunächst fest, dass die Goldvariante des Gens deutlich länger ist als die dunkle Variante. Der Grund dafür ist ein in das Gen eingewandertes Stück egoistische DNA – ein „springendes Gen“ oder „Transposon“. Dieses zusätzliche Stück genetischen Codes führt dazu, dass sich die Goldvariante des Gens auf molekularer Ebene anders faltet als die dunkle Variante. Das wiederum hat Folgen für die sogenannte Genexprimierung – die Synthese von Eiweißstoffen als Endprodukt der in dem Gen enthaltenen Information.
Die Forscher stellten außerdem fest, dass das Gen bei allen Farbvarianten des Midas-Buntbarsches vor allem in den Schuppen angeschaltet wird, an anderen Orten, wie zum Beispiel den inneren Organen, hingegen fast gar nicht. Dies untermauert eine spezifische Funktion der Genprodukte in den äußeren Hautschichten der Fische. „Wir fanden außerdem heraus, dass das goldentouch-Gen in den Schuppen der goldenen Midas-Buntbarsche in geringerem Maße exprimiert wird, als in den dunklen. Es gibt also Unterschiede in der Anzahl der Genprodukte zwischen den Farbvarianten, welche die Entstehung der unterschiedlichen Farbtypen erklären könnten“, berichtet Axel Meyer.
Auch wenn der finale Beweis dafür, dass die in der aktuellen Studie beschriebenen Varianten des goldentouch-Gens der direkte Grund für die Entstehung der Farbvarianten beim Midas-Buntbarsch sind, noch aussteht, spricht demnach bereits Einiges dafür. „Wir sind mit unserer Studie dem Ziel, das Rätsel der Midas-Buntbarsche zu entschlüsseln, ein großes Stück nähergekommen. Zukünftige Studien werden nun den kausalen Zusammenhang zum goldentouch-Gen bestätigen müssen und aufklären, wie das Gen die Umfärbung der Fische auf molekularer Ebene im Detail steuert“, so Axel Meyer.
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