Chiles Präsident Gabriel Boric hat am Donnerstag (22.) den linken Regierungen der Region vorgeworfen, in Sachen Menschenrechte mit zweierlei Maß zu messen und seine Verärgerung über jene Kreise zum Ausdruck gebracht, die die Willkür der Diktaturen in Venezuela und Nicaragua nicht verurteilen. „Es stört mich wirklich, wenn man als Linker die Menschenrechtsverletzungen im Jemen oder in El Salvador verurteilt, aber nicht über Venezuela oder Nicaragua sprechen kann“, so Boric bei einem Vortrag an der „Columbia University“ in den USA. „Es spielt keine Rolle, ob man der extremen Rechten oder der extremen Linken angehört. Es handelt sich um zivilisatorische Mandate. Bei der Achtung der Menschenrechte darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden“, bekräftigte das Staatsoberhaupt.
Boric berichtete von seinem Besuch in Venezuela im Jahr 2010 und erinnerte an die Verstöße des Regimes von Hugo Chávez gegen die Menschenrechte der Venezolanerinnen und Venezolaner, wies aber gleichzeitig zurück, dass damals keine linke Bewegung diese Repressionen in Frage gestellt habe. „Als ich Abgeordneter war, begann ich, Fragen zu Venezuela zu stellen. Ich war 2010 in Venezuela, als Chávez noch am Leben war. Und dann begann ich Fragen zu stellen, als ich die Unterdrückung der Proteste und die Manipulation einiger Wahlen sah. Und ich sagte: Das ist nicht richtig. Wir müssen in der Lage sein, diese Vorfälle zu kritisieren. Und die Linken in Chile sagten: Nein, nein, nein, nein, nein. Und das ist meiner Meinung nach völlig falsch“, beklagte Boric. „Man kann nicht verurteilen, was die Vereinigten Staaten im Ausland tun, oder irgendein anderes Beispiel, wenn man nicht sieht, was die eigenen Freunde tun“.
Borics Äußerungen an der „Columbia University“ erfolgten einen Tag, nachdem ihn die Nummer zwei des chavistischen Regimes, Diosdado Cabello, beleidigt hatte. Boric hatte auf der 77. UN-Generalversammlung die humanitäre Krise in Venezuela angeprangert, die einen in der Region beispiellosen Migrationsstrom ausgelöst hat. Cabello wies dieses Vorgehen zurück und nannte Boric einen „Dummkopf“ und „Pechvogel“.
„Er hat zum ersten Mal an einer solchen Veranstaltung teilgenommen und anstatt darüber zu sprechen, was er für sein Land tun will, spricht er über die Regierungen und Völker der Nachbarländer“, so Cabello.
„Er kommt und redet schlecht über Venezuela, obwohl er so viele Probleme in seinem Land hat. Er hat eine riesige Schuld gegenüber dem Volk der Mapuche und was er tut, ist, sie zu verfolgen“, betonte Diosdado Cabello in seiner Sendung „Con el mazo dando“, die vom chavistischen Sender „Venezolana de Televisión“ ausgestrahlt wurde. Er verurteilte auch die Anschuldigungen des Präsidenten von Paraguay, Mario Abdo Benítez, den er als Dieb bezeichnete.
Gabriel Boric hingegen versicherte, dass „die humanitäre Krise in Venezuela, ein Produkt der anhaltenden politischen Krise, einen Migrationsstrom ausgelöst hat, der in unserer Region und in unserem Land beispiellos ist und unsere Institutionen und unsere Gesellschaft unter enormen Druck setzt“. Er forderte außerdem dazu auf, „sich weiterhin für die Freilassung der politischen Gefangenen in Nicaragua einzusetzen und dafür zu sorgen, dass überall auf der Welt eine andere Meinung als die der amtierenden Regierung nicht zu Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen führt“.
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