Die Auswirkungen des Klimawandels auf tropische Regionen sind noch immer kaum erforscht. Dabei gehören sie zu den am stärksten besiedelten Gebieten der Welt. Forschende des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) haben nun für einen der ältesten Seen Zentralmexikos, dem Chalco-See, sowohl ein Alters-Tiefen-Modell als auch eine Feuchteverteilung für die letzten 500 000 Jahre erstellt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Zentralmexiko erlebte wiederkehrende Trockenperioden, die mit der natürlichen Taumelbewegung der Erde um die Sonne zusammenhängen. Die Forschenden veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Quaternary Science Reviews.
Aufgrund seines milden Klimas und seiner fruchtbaren Böden ist Zentralmexiko seit dem ersten Auftreten menschlicher Populationen kontinuierlich besiedelt worden. Bis heute ist es eines der Gebiete mit einer der höchsten Bevölkerungskonzentrationen der Welt. Die Kombination aus schnellem Bevölkerungswachstum und Klimawandel, der zu einem anhaltenden Temperaturanstieg und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Dürren in Zentralmexiko führt, stellt diese Region vor große Herausforderungen. Ein besseres Verständnis sowohl der Mechanismen, die zum derzeitigen Klimawandel beitragen, als auch der Folgen für die Biosphäre, einschließlich der menschlichen Gesellschaft, wird nicht nur das nötige Wissen zur Bewältigung der Auswirkungen liefern. Es kann auch Aufschluss über die Kräfte geben, die in der Vergangenheit ähnliche Ereignisse ausgelöst haben.
Im Jahr 2016 wurden in einer 500 Meter tiefen Bohrung im Chalco-See Bohrlochmessungen am Rand von Mexiko-Stadt durchgeführt. Das Forschungsteam nutzte die Bohrlochgeophysik, mit der die physikalischen Eigenschaften von Sedimenten gemessen werden, um Paläoklimasignale aus den lakustrinen Seeablagerungen in den oberen 300 Metern zu extrahieren und so die Klimabedingungen der Vergangenheit zu bestimmen. Es ist das erste Mal, dass geophysikalische Bohrlochdaten eingesetzt werden, um die Geschichte der Feuchtigkeitsgehalte in Seesedimenten zu verstehen und damit einen Einblick in 500 000 Jahre Klimavergangenheit in Zentralmexiko zu erhalten. Darüber hinaus datierte das Forschungsteam die Sedimente des Chalco-Sees mit Hilfe der Astrochronologie, einer Technik zur Kalibrierung von Sedimenten anhand der Umlaufzyklen der Erde, das heißt, der regelmäßigen Schwankung der Erdumlaufbahn um die Sonne. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zentralmexiko in den letzten 500 000 Jahren regelmäßig Trockenperioden erlebte, wenn sich die Erdumlaufbahn in ihrer kreisförmigsten Form befand.
Die besondere Geomorphologie Zentralmexikos, die auf die Entstehung einer langen Reihe von Vulkanbögen infolge der Subduktion der pazifischen Ozeanplatte unter die nordamerikanische Kontinentalplatte zurückzuführen ist, ermöglichte die Bildung eines ausgedehnten inneren Entwässerungsbeckens vor fast einer Million Jahren. Heutzutage wird diese geologische Formation als Tal von Mexiko bezeichnet. Seit seiner Entstehung staut sich das Wasser in diesem Becken und bedeckt circa 1500 Quadratkilometer des Talbodens. Der Wasserstand des riesigen Sees schwankte als Reaktion auf abwechselnde Warm- und Kaltzeiten im Paläoklima der Erde. Mindestens seit einer Million Jahren erlebt die Erde in etwa alle 100 000 Jahre kalte und warme Perioden. Während der Warmzeiten stieg infolge von ergiebigen Niederschlägen in Zentralmexiko die Wassertiefe bis auf 100 Meter an, während er in Kaltzeiten aufgrund von Dürreperioden auf wenige Meter sank.
„Seesedimente bewahren Hinweise auf vergangene Klima- und Umweltbedingungen – sie zeichnen praktisch die Klimageschichte des Planeten ab. Durch diese Studie können wir feststellen, wie variabel die Klimaveränderungen in der Vergangenheit für Zentralmexiko waren und wie die Umwelt darauf reagierte“, erklärt Dr. Mehrdad Sardar Abadi, MexiDrill-Projektkoordinator am LIAG. „Die erfolgreiche Anwendung der Methodik und die Ergebnisse helfen zudem zukünftigen Paläoklimastudien, die darauf aufbauen können.“
Vor der Ankunft der Spanier war das Becken von Mexiko von den Azteken besiedelt, die eine große Stadt namens Tenochtitlan auf und um das Seensystem herum errichteten. In den frühen 1600er Jahren ließen die Spanier den größten Teil des Seesystems trockenlegen, um die Überschwemmungen einzudämmen. Der heutige Chalco-See ist ein flacher Sumpf mit einer Fläche von rund sechs Quadratkilometern im Süden von Mexiko-Stadt. Eine wichtige Quelle für die Wasserversorgung von Mexiko-Stadt sind die unterirdischen Grundwasserleiter, die sich in den lakustrinen Sedimenten gebildet haben und die in einem rapiden Tempo trockengelegt werden. Infolgedessen sinkt Mexiko-Stadt mit circa einem viertel Meter pro Jahr nach unten. Die Wasserkrise in Mexiko-Stadt ist zu einem drängenden Problem geworden, da die unterirdischen Grundwasserleiter erschöpft sind und die Stadt langsam versinkt.
Das MexiDrill-Projekt wurde im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Internationales Kontinentales Bohrprogramm“ (ICDP) der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Beteiligt sind 11 nationale und internationale Institutionen aus 5 Ländern.
Leider kein Kommentar vorhanden!