Es wird häufig angenommen, dass höhere Erträge in der Landwirtschaft zu weniger Zerstörung von Wäldern führt, da mehr Menge auf weniger Fläche erzeugt werden kann. Eine neue Studie stellt fest, dass diese Annahme falsch ist, es sei denn die Wälder befinden sich auf indigenem Land. Verbesserte landwirtschaftliche Effizienz verlangsamt die Abholzung der tropischen Wälder nicht, wie eine neue Studie unter Leitung von Forscher:innen der Humboldt-Universität zu Berlin zeigt. Im Gegenteil: Höhere Erträge haben die Rodung in diesem Biom in den letzten 20 Jahren sogar beschleunigt. „Dies ist ein überraschender Befund, denn es wird oft angenommen, dass die Intensivierung der Landwirtschaft zu einem sogenannten „land sparing“-Phänomen führt, welches beschreibt, dass höhere Erträge es ermöglichen, auf den vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen mehr zu produzieren, was dann zu einer geringeren Ausdehnung der Landwirtschaft und Schutz der Wälder führen sollte“, erklärt Marie Pratzer, Hauptautorin der Studie. „Wir finden dafür jedoch keine Belege. Stattdessen stellen wir fest, dass die Intensivierung von Landwirtschaft die Entwaldung sogar anzuheizen scheint.“ Dieser Effekt war besonders stark in Ländern, in denen hauptsächlich Rohstoffe für Exportmärkte produziert werden, wie Kaffee, Palmöl oder Soja, anstelle von Nahrungsmitteln für die Bevölkerung. Den Forscher:innen zufolge lässt sich dies dadurch erklären, dass die Agrarindustrie auf finanzielle Anreize reagiert und ihre Gewinne in die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen reinvestiert – auf Kosten der Wälder.
Tropische Trockenwälder: weltweit bedroht
Das Team der Humboldt-Universität und Forschende von Universitäten in Belgien, Spanien und Australien nutzten detaillierte Karten über den Waldverlust zwischen 2000 und 2020 sowie landwirtschaftliche Produktionsstatistiken in einem komplexen statistischen Modell, um den Zusammenhang zwischen Intensivierung und Rodung zu analysieren. „Wir haben uns speziell auf tropische Trockenwälder konzentriert, weil diese Wälder so wichtig sind für die globale Artenvielfalt, als Kohlenstoffspeicher und für den Lebensunterhalt von Hunderten von Millionen Menschen“, erklärt Tobias Kuemmerle, Mitautor der Studie und Professor am Fachbereich Geographie der Humboldt-Universität. „Leider sind diese Wälder aber gleichzeitig sehr schlecht geschützt, und sie verschwinden vielerorts“. Die Forscher:innen mahnen einen besseren Schutz der tropischen Trockenwälder an, da sich die industrialisierte Agrarwirtschaft besonders schnell in diesen Gegenden der Welt ausbreitet, zum Beispiel in der Cerrado- und Chaco-Region in Südamerika oder den Indochina-Wäldern in Südostasien.
Weniger Abholzung in indigenen Territorien
Eine bemerkenswerte Erkenntnis der Studie ist, dass es eine Ausnahme gibt, in denen höhere Erträge tatsächlich zu einer geringeren Abholzung führten: Regionen, die von indigenen Völkern bewohnt oder verwaltet werden. „Das ist äußerst relevant und stellt eine große Chance dar“, betont Marie Pratzer. Obwohl indigene Völker mindestens 28 Prozent der weltweiten Landfläche verwalten, werden ihre Ansichten und ihre Rolle in Politik und Planung oft marginalisiert oder vernachlässigt.
Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forscher:innen nun in der Fachzeitschrift Nature Sustainability.
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