Das CINELATINO feiert vom 03. – 10. Mai 2023 mit einer breiten Auswahl spanischer und lateinamerikanischer Autorenfilme sein 30. Jubiläum. Beteiligt sind die vier Festivalstädte Tübingen, Reutlingen, Stuttgart und Freiburg. Der Länderschwerpunkt bringt Filme aus Mexiko in die Kinosäle. Thematisch widmet sich das Filmfestival “Rechtssystemen in Lateinamerika unter Beschuss”. Zur Jubiläumsausgabe gibt es außerdem eine Retrospektive mit Filmhighlights aus den vergangenen 30 Jahren. Nach drei Pandemie-Ausgaben kann das Festival nun wieder interkultureller Treffpunkt, Ort des Austauschs und der atmosphärischen Festivalstimmung werden.
Filmhighlights
Der Eröffnungsfilm Una película sobre parejas (2021) zeigt das Leben hinter der Kamera: Ihr neues, gemeinsames Dokumentarfilmprojekt stellt Nati und Uri vor ungeahnte Herausforderungen, die alle im Filmbusiness nur zu gut kennen. Ein herrlich amüsantes Werk über das Filmemachen als perfekter Einstieg in eine Woche voller cinematografischer Ereignisse! Oriol Estrada, Co-Regisseur von Una película sobre parejas, wird am Eröffnungsabend anwesend sein und Fragen zum Leben zwischen Filmgeschäft und Beziehung beantworten. Familiäre Themen bilden auch den Kern für die kühne Co- ming-of-Age Geschichte Tengo sueños eléctricos (Valentina Maurel, 2022), in der Vater und Tochter eine enge Beziehung zwischen Zuneigung und Gewalt durchleben. In Locarno wurde der Film mit den Preisen für Beste Regie, Beste Schauspielerin und Bester Schauspieler ausgezeichnet.
Wie auch das CineLatino wartet das CineEspañol mit preisgekrönten Filmen auf und bietet eine bunte Mischung an Themen. In 20.000 especies de abejas (Estibaliz Urresola Solaguren, 2023) nimmt Sofía Otero die Zuschauer:innen mit in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Kindes, das mit der ihm/ihr zugeschriebenen geschlechtlichen Identität zu kämpfen hat. Für ihre Rolle als Lucía/Aitor wurde die Neunjährige auf der diesjährigen Berlinale mit dem Silbernen Bären als beste Schauspielerin in der Hauptrolle ausgezeichnet. Matria (Álvaro Gago, 2023) zeigt den hektischen Alltag von Ramona in einem galizischen Fischerdorf, die die Belange und Notwendigkeiten anderer über sich selbst stellt – erst ein neuer Job bringt etwas in Bewegung. Im Politikthriller Pacifiction (Albert Serra, 2022) verdichten sich auf der malerisch wirkenden Insel Tahiti düstere Vorzeichen, man munkelt von erneuten Atomtests, der Lebemann und Hochkommisar De Roller nimmt die Untersuchung auf. Ein Film über postkoloniale Spuren und uns alle angehende Bedrohungen.
Zur Feier des 30-jährigen CINELATINO Jubiläums laufen in der Spezialrubrik Retrospektive einige der cinematographischen Highlights der vergangenen drei Jahrzehnte, u.a. Estiu 1993 (2016), mit dem die spanische Regisseurin Carla Simón ihren internationalen Durchbruch feierte, und der kubanische Film La vida es silbar (1998) von Fernando Pérez.
Thematischer Fokus: Rechtssysteme in Lateinamerika unter Beschuss – Neue Strategien des Rechtsbruchs und ihre Auswirkungen auf Ökosysteme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen
In Lateinamerika gärt es seit einigen Jahren wieder verstärkt: Linke und rechte Regierungen wechseln sich ab, Putschversuche scheinen eine allgegenwärtige Bedrohung zu sein. Der diesjährige Themenfokus wirft Licht auf die aktuelle Lage und die Aushöhlung des Rechtssystems. Mit ihrer Berichterstattung können Medien die Ereignisse beeinflussen – A fantástica fábrica de golpes (Victor Fraga & Valnei Nunes, 2021) dokumentiert die Rolle von TV Globo in Brasilien über die vergangenen Jahrzehnte hin- weg. In La ilusión de la abundancia (Erika Gonzalez Ramirez & Matthieu Lietaert, 2022) wird Caroline von der Journalistin zur Aktivistin: Wie die anderen Protagonistinnen, Bertha und Maxima, kämpft sie gegen die Macht heutiger multinationaler Konzerne, die rücksichtslos Mensch und Umwelt ausbeuten. Der für die Oscars nominierte Film El efecto ladrillo (Carola Fuentes & Rafael Valdeavellano 2022) zeigt die Stimmung in Chile 2019, als heftige Proteste gegen den neoliberalen Kurs das Land erfassten. Das mit dem Goya als bester iberoamerikanischer Film ausgezeichnete Werk Argentina, 1985 (Santiago Mitre, 2022) lässt die Vergangenheit lebendig werden: Zwei Jahre nach Ende der Militärdiktatur will Staatsanwalt Strassera im Namen des Volkes Gerechtigkeit für die Gräueltaten erlangen.
Länderschwerpunkt: Mexiko
Mexiko ist bekannt für seine wunderschönen Landschaften, das köstliche Essen und die starken Fami- lienbande. Doch leider zählt auch Gewalt zum mexikanischen Alltag: Die Zahl der Verschwundenen – hauptsächlich junge Menschen – liegt bei über 100.000, von den gefundenen Leichen wird nur die Hälfte identifiziert. Die Regisseurin Angélica Aguilar dokumentiert in Vivas (2022) die Stärke und Wut der fe- ministischen Bewegung. Jährlich werden 4.000 Frauen ermordet, das jahrhundertealte Patriachat hat dunkle Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Auf Valeria lastet der gesellschaftliche Druck, endlich schwanger zu werden – in Huesera (2022) verbindet Regisseurin Michelle Garza Cervera eine alte Sage um die Knochenfrau mit den heutigen Familienvorstellungen. Der Kooperationsfilm mit dem Deutsch- Amerikanischen Institut in Tübingen Lo que queda en el camino (Jakob Krese & Danilo do Carmo 2021) zeigt Mexiko in seiner geographischen Lage als Transitland auf dem Weg vieler Tausender in die USA.
Rahmenprogramm
In der Innenstadtlocation “Am Alten Waschhaus” an der Bursagasse 2/1 lässt der Open Festival Space (OFS) Mexiko auch außerhalb der Kinosäale lebendig werden: Snacks und Drinks von Cosita Bonita laden zum Genießen ein, eine Fotoausstellung zeigt die Schönheit des Landes. Vielseitige me- xikanische und kubanische Kurzfilme tragen zur Unterhaltung bei. Außerdem findet am Sonntag im OFS eine Podiumsdiskussion mit Filmemacher:innen zum Themenfokus “Rechtssysteme in Latein- amerika unter Beschuss” statt. Vor 30 Jahren startete das CINELATINO mit einer kleinen brasilianischen Filmreihe. Auch heute noch finden diverse Filme aus Brasilien ihren Weg zum CINELATINO. Den Herausforderungen des heutigen Brasiliens widmet sich der Film Desafios do Brasil contemporâneo. Verschiedenste Stimmen – Indigene, Schwarze und Frauen – kommen zu Wort, im Anschluss kann am 4. Mai im Kino in Anwesenheit von Regisseur und Professor in Politik- und Sozialwissenschaften Hermílio Santos diskutiert werden. 30 Jahre CINELATINO muss natürlich gefeiert werden: Bei der Festivalparty am Freitag, den 5. Mai, geht es bei Klängen von Combo Cumbiale, Don Jorge und Jimmy Möhrle heiß her.
Wettbewerb
Folgende Filme konkurrieren um den mit 1.000 Euro dotierten Tübinger Publikumspreis /
Premio del Público.
• Blanquita
(Chile/Mexiko/Luxemburg/Frankreich/Polen) von Fernando Guzzoni
• Desperté con un sueño
(Argentinien/Uruguay 2022) von Pablo Solarz
• El visitante
(Bolivien/Uruguay 2022) von Alejandro Loayza
• Huesera
(Mexiko/Peru 2022) von Michelle Garza Cervera
• Mafifa
(Kuba 2021) von Daniela Muñoz Barroso
• Matria
(Spanien 2023) von Álvaro Gago
• Roza
(Guatemala 2022) von Andrés Rodríguez
• Tengo sueños eléctricos
(Costa Rica 2022) von Valentina Maurel
• Trigal
(Mexiko 2022) von Anabel Caso
Veranstalter und Förderer
Die Filmtage Tübingen e.V. in Zusammenarbeit mit Vereinigte Lichtspiele Tübingen, Delphi Arthaus Kino Stuttgart, Programmkino Kamino Reutlingen, Club Voltaire Tübingen, dem Dachverband der Lateinamerikanischen Vereine Stuttgart und dem Kommunalen Kino in Freiburg. Gefördert wird das Film Festival von der Stadt Tübingen, der Stadt Stuttgart, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Land Baden-Württembergs mit dem Innovationsfond Kunst, der Baden-Württemberg Stiftung, Brot für die Welt, der Tübinger Bürgerstiftung, Universtität Tübingen und das Brasilienzentrum der Uni Tübingen, der Kreissparkasse Tübingen, dem Stadtwerken Tübingen, dem Círculo Argentino Baden-Württemberg e.V., Institut Ramon Llull, dem Institut Culturel Franco-Allemand und dem Deutsch-Amerikanischem Institut.
Termine:
Tübingen: 03. – 10. Mai 2023 im Kino Museum
Stuttgart: 04. – 10. Mai 2023 im Delphi Arthaus Kino
Reutlingen: 03. – 10. Mai 2023 im Programmkino Kamino
Freiburg: 03. – 07. Mai 2023 im Kommunalen Kino
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