Erdbeben und Vulkanismus sind eine Folge von Plattentektonik. Die Wanderung von tektonischen Platten wiederum wird maßgeblich von einem als Subduktion bezeichneten Prozess angetrieben. Wie es zur Bildung von neuen Subduktionszonen kommt, ist in der Wissenschaft allerdings umstritten. Ein Beispiel dafür sind die Kleinen Antillen in der Karibik. Eine Gruppe um den Geophysiker Prof. Dr. Boris Kaus und Dr. Nicolas Riel von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) sowie Wissenschaftler der Universität Lissabon hat nun ein Modell vorgelegt, das die Entwicklungen in der karibischen Region während der Kreidezeit simuliert, als eine Subduktion im Ostpazifik die Bildung einer neuen Subduktionszone im Atlantik auslöste. Die Computersimulation zeigt, wie die Kollision des Alten Karibischen Plateaus mit dem Großen Antillenbogen zu der Entstehung der neuen atlantischen Subduktionszone beitrug. Die hierauf folgenden Prozesse führten schließlich vor etwa 86 Millionen Jahren dazu, dass Magma in großen Mengen generiert wurde und die Karibische Magmatische Großprovinz entstand.
Subduktion als treibende Kraft der Plattentektonik
Subduktion ist ein Vorgang, bei dem kalte ozeanische Lithosphäre an einem Plattenrand abtaucht und zurück in den Erdmantel recycelt wird. Zusammen mit dem Aufstieg von heißem Mantelmaterial in Form von Mantelplumes und der Neubildung von ozeanischer Kruste an Mittelozeanischen Rücken stellt die Subduktion das Rückgrat der Plattentektonik dar. Allerdings ist weitgehend unbekannt, wie aktive Subduktionszonen entstehen, vor allem weil es nur sehr wenige aktuelle Beispiele für den Beginn einer Subduktion gibt. Boris Kaus und Nicolas Riel versuchen vor diesem Hintergrund, die geodynamischen Bedingungen zu verstehen, die in der späten Kreidezeit in der Karibikregion geherrscht haben. „Die Karibik ist plattentektonisch gesehen ein sehr interessanter Ort“, sagt Boris Kaus, Leiter der Arbeitsgruppe Geophysik und Geodynamik an der JGU. Die karibische Region sei ein natürliches Labor, in dem die Plattentektonik über Millionen von Jahren zu der Verlagerung einer Subduktionszone vom Pazifik zum Atlantik geführt habe. Dies ging mit einer enormen magmatischen Aktivität einher, die für die Karibische Magmatische Großprovinz – abgekürzt CLIP für Caribbean Large Igneous Province – verantwortlich ist. Heute formt dies das Zentrum der Karibischen Platte.
Die Forschenden gingen für ihre Computersimulationen von einem Punkt vor 140 Millionen Jahren aus, als sich die Farallon-Platte, eine ehemalige Großplatte im Ostpazifik, in Richtung Osten unter den südamerikanischen Plattenrand schob und dadurch das Alte Karibische Plateau Richtung Farallon-Graben bewegte. Vor etwa 135 Millionen Jahren erfolgte dann die Kollision des Alten Karibischen Plateaus mit der Protokaribischen Platte. Die Simulationen zeigen, dass die Subduktion der Farallon-Platte dadurch vorrübergehend unterbrochen wurde und die Subduktion der Protokaribischen Platte begann. Es folgen weitere Prozesse im Verlauf von rund 50 Millionen Jahren, darunter die erneute Subduktion der Farallon-Platte am westlichen Ende des alten Plateaus, Bildung eines Mantelplumes und Übergang des Großen Antillenbogens auf die zurückweichende Protokaribische Platte.
Gleichzeitiges Abtauchen von zwei Platten zwingt einen Teil des Mantels nach oben
„Mithilfe der Computersimulation können wir den Prozess physikalisch besser verstehen“, sagt der Erstautor der Studie, Nicolas Riel. „Das Ergebnis hat uns überrascht. Wir können jetzt zeigen, dass vor 90 bis 86 Millionen Jahren die erneute Subduktion der Farallon-Platte einen Teil des Mantels nach oben gezwungen und einen Plume getriggert hat. Dadurch wurde sehr viel Schmelze produziert.“ Dieses geschmolzene Gesteinsmaterial trug dazu bei, dass die Karibische Platte auf eine Stärke von bis zu 22 Kilometer anwuchs und damit 8 bis 10 Kilometer dicker ist als gewöhnliche ozeanische Kruste. Bisher wurde angenommen, dass der Mantelplume die Erneuerung der Subduktion der Farallon-Platte ausgelöst hat.
„Wir sind in der einmaligen Situation, dass wir hier Simulationen durchführen können, die sehr realistisch sind“, sagt Boris Kaus zu dem Ergebnis. Sein Team kann als eine der wenigen Gruppen weltweit mithilfe von Supercomputermodellen testen, ob die physikalischen Annahmen plausibel sind – und so erforschen, wie die Plattentektonik in der Karibik verlaufen ist. Für die aufwendigen Berechnungen steht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Supercomputer MOGON II zur Verfügung, der von der JGU und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) betrieben wird und zu den leistungsfähigsten Computern weltweit zählt.
Forschungen in den Potentialbereich TeMaS eingebunden
Die geophysikalischen Forschungen erfolgen im Rahmen des Forschungsbereichs „Terrestrial Magmatic Systems“ (TeMaS), ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Mainz, Frankfurt und Heidelberg, das die interdisziplinäre Forschung zu magmatischen Prozessen im weitesten Sinne koordiniert – von der Entstehung von Magma im Erdmantel bis zu seinem Ausbruch in Vulkanen und den Auswirkungen auf die Atmosphäre und das Klima. TeMaS ist ein Potentialbereich der JGU, gefördert vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit (MWG) des Landes Rheinland-Pfalz. Boris Kaus leitet die Arbeitsgruppe Geophysik und Geodynamik am Institut für Geowissenschaften der JGU. Für die Erforschung von magmatischen Prozessen erhielt er 2018 einen ERC Consolidator Grant, eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU. Im Rahmen des ERC-Projekts MAGMA, abgekürzt für „Melting and Geodynamic Models of Ascent“, entwickeln Kaus und sein Team numerische Modelle, um magmatische Prozesse zu simulieren. Der Geophysiker ist außerdem Fellow des Gutenberg Forschungskollegs (GFK) der Universität Mainz.
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