Die Teenagerin Sofia Langenbach konsumiert Marihuana, seit sie fünf Jahre alt ist. Sie war noch ein Kleinkind, als ihre Eltern 2016 drei Cannabis sativa-Pflanzen auf dem Balkon der Wohnung der Familie in Botafogo im Süden Rios anpflanzten. Der Anbau dieser Pflanzenart ist in Brasilien gesetzlich verboten, aber die Anwältin Margarete Brito und der Designer Marcos Langenbach, die Eltern des Mädchens, haben den „kleinen Garten“ trotzdem angelegt, da Sofia Trägerin eines seltenen angeborenen Syndroms ist und auf das aus Marihuana gewonnene Öl angewiesen ist, um keine schweren Anfälle zu erleiden. Kurz darauf erwirkte die Familie die erste gerichtliche Verfügung des Landes, die den Anbau zu medizinischen Zwecken erlaubte und die Sicherheit der Behandlung gewährleistete. Die Setzlinge erbrachten mehr Öl als Sofia benötigte und ihre Eltern spendeten den Überschuss an andere Familien von Patienten mit Nervenkrankheiten. Je mehr sie spendeten, desto mehr Menschen fragten danach. Als die Produktion zunahm, wurde die Veranda zu klein. Sie zogen in ein Haus in Urca, aber auch dort reichte der Hof nicht aus. Bis Marcos und Margarete im Jahr 2020 die erste Marihuana-Farm Brasiliens in Paty do Alferes im Bundesstaat Rio de Janeiro gründeten.
Dies ist, kurz gesagt, die Geschichte der „Associação de Apoio à Pesquisa e a Pacientes de Cannabis Medicinal“ (Apepi), in der Ärzte, Forscher und Anwälte zusammenarbeiten und die inzwischen rund sechstausend registrierte Familien in ganz Brasilien betreut. Im vergangenen Monat verteilte die Einrichtung mehr als dreitausend Flaschen Cannabisöl an Patienten, die ein Rezept für den Konsum verschiedener Arten von Cannabisprodukten hatten. Der Werdegang der Einrichtung wird in dem Dokumentarfilm „Sofias andere Welt“ erzählt, der ab Dienstag (9.) auf „Globoplay“ zu sehen sein wird. „Der Film hilft uns, die Blase zu durchbrechen und unsere Arbeit auch denjenigen zu zeigen, die mit dem, was wir tun, noch nicht einverstanden sind. Wir müssen informieren, um zu verändern. Marihuana ist in der Gesellschaft mit vielen Vorurteilen konfrontiert, selbst wenn es um die medizinische Verwendung der Pflanze geht“, sagt Margarete, die keinen Unterschied zwischen der Sache des medizinischen Marihuanas und dem Kampf für die Legalisierung des Konsums im Allgemeinen sieht. „Die Pflanze ist dieselbe. Ich denke, es ist wichtig, den Anbau und den Konsum in allen Formen zu regeln. Das ist notwendig, um Missbrauch zu verhindern, genau wie bei Alkohol oder Zucker. Aber das Gesetz muss sich ändern. Was falsch ist, ist das Gesetz“, fügt sie hinzu.
Mit Aussagen von Forschern wie der Neurowissenschaftlerin Sidarta Ribeiro zeigt der Dokumentarfilm eine Realität, die sich bereits stark von der aus dem Jahr 2014 unterscheidet. Damals wurde der Spielfilm „Ilegal: A vida não espera“ (Illegal: Das Leben wartet nicht) veröffentlicht, der das Drama von Sofia und anderen Kindern erzählte, deren Familien darum kämpften, mit Marihuana hergestellte Medikamente zu erhalten, die es nur im Ausland gab, sehr teuer waren und nicht einmal importiert werden konnten. Seitdem hat die Nationale Gesundheitsaufsichtsbehörde (Anvisa) Regeln für den Erwerb dieser Medikamente aufgestellt, Verbände haben durch gerichtliche Verfügungen das Recht erlangt, sie anzubauen, und der Konsum von Produkten auf Cannabisbasis hat einen nationalen Markt geschaffen.
Nationaler Kreuzzug
Als „O GLOBO“ (national-konservativ ausgerichtete brasilianische Tageszeitung, die in Rio de Janeiro verlegt wird) Margarete und Sofia im Jahr 2016 zum ersten Mal traf, hatten sie noch keine einstweilige Verfügung, die die Anpflanzung garantierte. Aber die Anwältin verwandelte den Kampf einer Familie in einen Kreuzzug von nationaler Größe und versammelte Horden von Menschen hinter der Medizin. Ohne diesen „Marihuana-Marsch“ wäre so etwas wie die Cannabisfarm in Paty do Alferes, die heute 60 Menschen mit einem legalen Vertrag beschäftigt, niemals möglich gewesen. Aber die Rechtsunsicherheit ist ein enormes Hindernis. Verschiedene Vereinigungen haben einstweilige Verfügungen erwirkt, um mit dem Anbau beginnen zu können. Apepi hatte einen rechtskräftigen Bescheid für die Produktion und den Vertrieb des Öls erwirkt. Aber die Maßnahme wurde Ende letzten Jahres in zweiter Instanz gekippt und seither agiert die Gruppe auf der Grundlage des zivilen Ungehorsams, wie Margarete sagt. „O outro mundo de Sofia“ (Sofia’s andere Welt) zeigt den Moment, als Polizeibeamte, die einer Beschwerde nachgingen, mit sechs Autos in die Farm eindrangen, um Marihuanapflanzen zu beschlagnahmen und die Verantwortlichen auf die Polizeiwache zu bringen. „Unser Anwalt reichte umgehend Klage ein, und die Gerichte hoben den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss auf. Gleichzeitig sahen die Polizisten unser Labor und die ganze Arbeit und erkannten, dass die Ernte nicht für den Handel bestimmt war“, sagt der Apepi-Gründer.
In einer Passage des Dokumentarfilms nimmt Margarete an öffentlichen Anhörungen im Nationalkongress teil und debattiert mit Politikern, die gegen eine flexiblere Gesetzgebung für Marihuana sind. Der konservative Flügel des Parlaments akzeptiert sogar die Einfuhr von Arzneimitteln auf der Basis der Pflanze und die Herstellung von synthetischen Substanzen, die die Wirkungen von Substanzen wie CBD und THC, die in Cannabis enthalten sind, reproduzieren. Viele Bundesabgeordnete und Senatoren weigern sich jedoch, über die Zulassung des Anbaus in Brasilien zu diskutieren. Sie behaupten, dass dies die Abzweigung der Produktion für den so genannten „Freizeitgebrauch“ erleichtern würde. „Wir fordern die Legalisierung des Anbaus und des Vertriebs. Die Universitäten wollen mit der Pflanze und dem Öl forschen, kommen aber wegen des Verbots nicht weiter. Das Ergebnis ist, dass wir uns in einer Sackgasse befinden. Einige sagen, dass der Anbau nicht genehmigt werden kann, weil es in Brasilien keine Forschung gibt, die die Wirksamkeit dieser Medikamente belegt. Aber wenn das Verbot bestehen bleibt, gibt es keine Möglichkeit, die Forschung voranzutreiben“ meint ddie Anwältin. „Wir wollen mit denen reden, die dagegen sind. Wenn diese Person versteht, was wir tun, beginnt die Veränderung. Manchmal ist es ermüdend, so viel diskutieren zu müssen, aber es ist notwendig. Und wenn ich Angst hätte, wäre das alles nicht passiert“, fügt sie hinzu.
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