Der Dokumentarfilm über Gladys Esther Linares, alias Mafifa, die sich als erste Frau in der testoste- ronbeladenen Conga-Musikszene auf Kuba durchsetzte, begeisterte das Publikum. Bis heute wird Mafifa in ihrer Heimat Kuba und darüber hinaus verehrt. Auch Daniela Muñoz, die Regisseurin von Mafifa, ist von ihr fasziniert und hat sich mit ihrem Filmprojekt auf eine Spurensuche begeben. Dabei ging es nicht nur um Mafifa selbst, sondern auch um Daniela Muñoz’ Hörprobleme, die sie schon seit ihrer Kindheit beeinträchtigen, und ihren Umgang mit Musik. Der Film zeichnet ihre akustische Wahrneh- mung nach, sodass die Zuschauer:innen fast real nachempfinden können, wie sie Musik erfährt.
Zur Freude des Publikums fand das CINELATINO nach drei Pandemieausgaben des Festivals wieder unter normalen Bedingungen statt. Besonderes Highlight waren die Besuche von Gästen aus dem Filmbusiness. Sehr gut besucht waren die Tübinger Schulvorstellungen und der OPEN FESTIVAL SPACE. Gerne genutzt wurde auch die Möglichkeit, Karten unter Tag im Festivalbüro zu kaufen. Zehn Gäste aus Lateinamerika und Europa haben das Festival mit ihrem Besuch bereichert. Gleich am Eröffnungsabend erheiterte Co-Regisseur Oriol Estrada das Publikum mit seinen Anekdoten zum Film Una película sobre parejas. Beeindruckt zeigte sich das Publikum vom Dokumentarfilm Del otro lado, der sich mit inneren Konflikten Kolumbiens und dem Versöhnungsprozess beschäftigt. Gerade die Frage, wie und unter welchen Bedingungen Vergebung möglich sein kann, wurde im Anschluss mit dem Produzenten Jorge Caballero intensiv diskutiert.
Beim CineEspañol sticht das Gespräch zum Film La Voluntaria, der vom Einsatz einer pensionierten Ärztin als Freiwillige in einem griechischen Flüchtlingscamp handelt, als besonderes Highlight hervor. Neben Regisseurin Nely Reguera kam auch der Youngstar Hamam Aldrarweesh-Almanawer ins Kino Museum, der aus Syrien stammt und mittlerweile in Reutlingen wohnt. Die Fragen des Publikums drehten sich um den Castingprozess, das Leben der Familie im Flüchtlingscamp und die Debatte über die richtige Art zu helfen.
Auch der spanische Film 20.000 especies de abejas, der im Februar auf der Berlinale Premiere fei- erte, traf den Nerv des Publikums. Die einfühlsame Geschichte über das Transgenderkind Aitor/Cocó/Lucía rührte viele der Besucher:innen zu Tränen. Publikumsmagneten des CineLatino waren Argentina, 1985 – eine Rekonstruktion der meisterhaften Anklage von Staatsanwalt Strassera gegen die Machthaber der Militärdiktatur – die atypische Coming-of-Age Geschichte Desperté con un sueño rund um die Träume des 13-jährigen Felipe und der indigene Film Utama – Ein Leben in Würde, der einmal mehr die Folgen des Klimawandels vor Augen führte. Der Abschlussfilm Adiós Buenos Aires – in Anwesenheit von Regisseur German Kral – rundete die Festivalwoche perfekt ab.
„Der diesjährige Open Festival Space zur Jubiläumsausgabe war ein voller Erfolg“, wie die verant- wortliche Organisatorin Berenice Höntzsch berichtet. Gefördert wurde er von der Baden-Württemberg Stiftung. Am Freitag machten die Besucher:innen auf der ausverkauften Festivalparty die Nacht zum Tag und tanzten im Schlachthaus ausgelassen zu den Latino-Klängen der neunköpfigen Liveband Combo Cumbiale sowie den Sounds der DJs Don Jorge und Jimmy Möhre. Gute Stimmung herrschte auch bei den Veranstaltungen im Alten Waschhaus: Die Besucher:innen verweilten bei köstlichen mexikanischen Snacks und Drinks am schönen Platz über dem Neckar, genossen die Ausstellung mit Fotographien aus Mexiko von Annika Börn und ließen die Abende mit mexikanischen und kubanischen Kurzfilmen ausklingen. Am sonnigen Samstag reichten die Sitzplätze nicht aus, sodass die Zuschauer:innen auf den Boden auswichen. Die Podiumsdiskussion “Rechtssysteme in Lateinamerika unter Beschuss” am Sonntag fand aufgrund des Wetters im Inneren des Gebäudes statt, war aber dennoch gut besucht. Moderator Bernd Wolpert, der einen guten Überblick zu den juristischen Systemveränderungen der letzten Jahre gab, zeigte sich sehr zufrieden. Die drei Regisseurinnen Daniela Muñoz (Kuba), Paola Tamayo (Kolumbien) und Angélica Cruz Aguilar (Mexiko) berichteten von den Auswirkungen der europäischen Energiekrise auf den Kohleabbau in Kolumbien, den Femiziden in Lateinamerika und insbesondere Mexiko, sowie der Zensur auf Kuba.
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