Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen beginnt mit geteilter Favoritenrolle

Nur noch wenige Tage, bis der Ball in Australien und Neuseeland rollt, und eine Frage gewinnt immer mehr an Bedeutung: Welche Mannschaften können neben Brasilien als echte Anwärter auf den WM-Titel gelten? Waren die Vereinigten Staaten 2019 noch klarer Favorit und hatten Frankreich, den Gastgeber des Turniers, als Hauptgegner, so werden die Amerikaner bei der aktuellen Weltmeisterschaft zwar immer noch als große Kraft hervorgehoben, haben aber nun Gesellschaft von anderen Teams wie England und Deutschland. Als größte Gewinner des Wettbewerbs (mit vier Titeln, darunter die letzten beiden 2015 und 2019) gelten die USA als einer der großen Favoriten, um am 20. August im Olympiastadion von Sydney die WM-Trophäe zu holen. Doch die Mannschaft erlebt gerade einen Moment der Erneuerung, einen Generationenwechsel. Dieser Prozess wird in der Kaderliste für die Weltmeisterschaft deutlich. Von den 23 Spielerinnen, die Trainer Vlatko Andonovski einberufen hat, waren nur neun bei der siegreichen Kampagne in Frankreich dabei. Zu den erfahreneren Spielerinnen gehören die Mittelfeldspielerin Julie Ertz sowie die Stürmerinnen Alex Morgan und Megan Rapinoe (die bei der letzten WM zur besten Spielerin gewählt wurde). Unter den Neulingen sticht ein Name besonders hervor: Trinity Rodman. Die 21-Jährige ist die Tochter der Basketball-Legende Dennis Rodman, der sich durch sein exzentrisches Verhalten und seine Titelgewinne mit den Chicago Bulls unter der Leitung von Michael Jordan einen Namen gemacht hat.

„Die US-Nationalmannschaft hat die Weltmeisterschaft 2019 gewonnen und einen Führungswechsel vollzogen. Jill Ellis ging und Vlatko Andonovski kam. Damit haben sich in der Nationalmannschaft einige Teile verändert. Diese Erneuerung wurde nach den Olympischen Spielen in Tokio noch deutlicher. Mehr oder weniger analog zur Erneuerung der brasilianischen Nationalmannschaft begann er, junge Spielerinnen zu holen, die sich in der NWSL [US-amerikanische Frauenfußball-Profiliga] hervorgetan hatten, behielt aber das Rückgrat der Mannschaft bei, die 2015 und 2019 Meister wurde und die noch nie dagewesene drei Titel gewinnen konnte“, so die Kommentatorin Amanda Viana von Planeta Futebol Feminino, die am Videocast Copa Delas von EBC teilnahm. Auch wenn der Erneuerungsprozess Zweifel an der Bevorzugung der USA aufkommen lässt, gilt England als etablierte Kraft in der aktuellen Frauenfußballlandschaft. Obwohl die Engländerinnen immer noch auf der Suche nach ihrem ersten Weltmeistertitel sind, kommen sie mit guter Laune zur Weltmeisterschaft, nachdem sie zum ersten Mal eine UEFA-Frauen-Europameisterschaft gewonnen haben (2022, im Finale gegen das mächtige Deutschland).

„England ist der große Favorit auf den Gewinn dieser Weltmeisterschaft. Sie sind eine Mannschaft mit großem Potenzial, einer sehr guten Vorarbeit, die sich bereits auszahlt. Eine großartige Ausgewogenheit zwischen Verteidigung, Mittelfeld und Angriff, sowie unglaubliche Torhüter. Dies könnte der krönende Abschluss einer Arbeit sein, die schon lange andauert. Eine sehr ernsthafte Arbeit. Sie haben die EURO gewonnen, und sie werden sehr stark sein, um um diesen Titel zu kämpfen. England hat die besten Spieler dieser Weltmeisterschaft und hat alles, um den Titel zu holen“, sagte Kommentatorin Isabelle Suarez während des Copa Delas Videocast. Eines der Aushängeschilder der Mannschaft ist Rechtsverteidigerin Lucy Bronze. Die erfahrene Spielerin vom FC Barcelona (Spanien), die von der FIFA zur besten Spielerin der Welt 2020 gewählt wurde, wird ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft sein, die von der niederländischen Trainerin Sarina Wigman (die ihr Land ins Finale der Weltmeisterschaft 2019 führte) geleitet wird. Eine weitere Athletin, die es verdient, genau beobachtet zu werden, ist die talentierte Mittelfeldspielerin Keira Walsh, die im größten Deal in der Geschichte des Frauenfußballs für 460.000 Euro von Manchester City (England) nach Barcelona geholt wurde.

Wenn die Vereinigten Staaten eine Realität sind und England eine aufstrebende Macht ist, dann ist Deutschland eine Kraft, die versucht, den Ruhm der Vergangenheit wiederzuerlangen. Mit zwei Weltmeistertiteln (2003 und 2007) und den meisten Gewinnern der UEFA Women’s EURO (mit insgesamt acht Trophäen, die letzte 2013) haben die Deutschen in den letzten Jahren keine gute Zeit erlebt. Im letzten Jahrzehnt waren die bemerkenswertesten Ergebnisse der vierte Platz bei der Weltmeisterschaft 2015 und die Vizemeisterschaft bei der Europameisterschaft 2022. Der Wunsch, an die glorreichen Zeiten anzuknüpfen, wird in einem Interview auf der Fifa-Website von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg deutlich: „Wir wollen Titelanwärter sein, eine Mannschaft, die Weltmeister werden kann […] Das ist ein gutes Gefühl. Ich glaube, wenn wir alle fit bleiben, können wir eine Mannschaft sein, die den Titel holen kann“. Einer der Schlüssel zum Erfolg der Deutschen liegt in der Offensive, wo die erfahrene Mittelstürmerin Alexandra Popp mit Sicherheit viele Tore erzielen wird. Die 32-jährige Wolfsburger Mittelstürmerin ist vor allem kopfballstark, wie sie schon bei der letzten EM gezeigt hat, wo sie mit sechs Toren zu den besten Torschützinnen gehörte.

Eine der Mannschaften, die bei dieser Weltmeisterschaft für eine Überraschung sorgen können, ist Australien. Das Team aus Ozeanien, das im eigenen Land spielt, ist sicherlich besonders motiviert, die erste Weltmeisterschaft in seiner Geschichte zu gewinnen. Der Hauptgrund für die Erwartung einer historischen Kampagne der Matildas hat jedoch einen Vor- und Nachnamen: Sam Kerr. Die Spielerin des FC Chelsea und Rekordtorschützin der australischen Frauen-Nationalmannschaft ist die Stürmerin, die sich jedes Team wünscht: Sie ist cool, schlagfertig und verfügt über eine großartige Abschlussstärke, die es ihr ermöglicht, viele Tore zu erzielen – entweder mit dem Kopf oder mit ihrem starken rechten Bein. „Sam Kerr ist die große Vertreterin Australiens. Sie ist eine der besten Stürmerinnen der Welt. Sie ist wahrscheinlich die beste Spielerin in der Geschichte der australischen Frauen-Nationalmannschaft“, sagte Thiago Ferreira, ein Mitarbeiter von Planeta Futebol Feminino, in einem Auftritt im Copa Delas Videocast.

Ein weiterer potenzieller Überraschungsanwärter bei dieser Weltmeisterschaft ist Spanien. Das Land erlebt mit dem jüngsten Gewinn der U-20-Weltmeisterschaft eine sehr positive Entwicklung im Breitenfußball. Außerdem verfügt die spanische Mannschaft über die derzeit wohl beste Spielerin, Alexia Putellas. Die offensive Mittelfeldspielerin des FC Barcelona (Spanien) wurde in den letzten beiden Jahren sowohl mit dem Ballon d’Or des französischen Fußballmagazins als auch mit dem Preis „The Best“ der Fifa ausgezeichnet. Sie ist zwar nicht in Bestform, da sie sich gerade erst von einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes im linken Knie erholt hat, aber sie wird sicherlich ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft von Jorge Vilda sein. Eine weitere Herausforderung für Spanien bei diesem Turnier wird der Umgang mit den Konflikten zwischen der Mannschaft und dem Verband sein, die nach der letzten Ausgabe der Frauen-EM begannen. „Es ist eine komplizierte Situation, die nach der Europameisterschaft begann. Spanien schied frustriert gegen England [im Viertelfinale] aus. Aus Sicht der Spielerinnen war das ein frustrierendes Ergebnis, denn es handelt sich um eine talentierte Generation, vielleicht die beste, die das Land je hatte. In der Folgezeit schickten 15 Spieler E-Mails an den spanischen Verband, in denen sie erklärten, dass sie wegen psychischer Probleme nicht für den nächsten FIFA-Termin einberufen werden wollten. Diese E-Mails hätten nicht durchsickern dürfen, aber sie wurden veröffentlicht. Sie wurden sogar vom Verband selbst veröffentlicht, der erklärte, dass er nicht zulassen werde, dass die Spielerinnen den Trainer auswählen und den Verband in irgendeiner Weise unter Druck setzen“, so Taís Viviane von Planeta Futebol Feminino im Copa Delas Videocast.

Bei so vielen Anwärtern auf den Titel ist eines sicher: Mit so vielen talentierten Mannschaften verspricht die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland eine der wettbewerbsintensivsten und spannendsten der Geschichte zu werden.