Pflanzen werden vielfach Fähigkeiten zugeschrieben, wie sie in der Tier- oder Menschenwelt bekannt sind. Demnach sind Bäume zu Gefühlen fähig und dazu in der Lage, wie Mütter für ihren Nachwuchs zu sorgen. In einem Beitrag für das Review Journal „Trends in Plant Science“ sind nun 32 internationale Pflanzen- und Forstwissenschaftler solchen Zuschreibungen nachgegangen. Die Forscherinnen und Forscher haben unter der Leitung von Prof. Dr. David G. Robinson, emeritierter Professor für Zellbiologie am Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg, die Aussagen in zwei populären Veröffentlichungen zum Thema Wald analysiert und kommen zu dem Schluss, dass hier Mutmaßungen mit Fakten gleichgesetzt werden. Sie warnen davor, Pflanzen zu „vermenschlichen“.
Gegenstand des Artikels waren die Aussagen in zwei breit rezipierten Büchern, die sich mit dem verborgenen Leben der Bäume und der Suche nach dem sogenannten „Mutterbaum“ beschäftigen. Darin werden Bäumen menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, so die Wissenschaftler, darunter die Fähigkeit, Schmerz oder Glück zu empfinden, miteinander zu kommunizieren oder altruistisch zu handeln. Für beide Veröffentlichungen weisen Prof. Robinson und seine Co-Autoren anhand vorhandener Forschungsliteratur detailliert nach, dass zentrale Aussagen wissenschaftlich nicht haltbar sind. Danach wird beispielsweise die Behauptung, wonach Bäume einer Art sich gegenseitig unterstützen und am Leben halten, durch zahlreiche Forschungsarbeiten zur Bedeutung innerartlicher Konkurrenz klar widerlegt, wie der Heidelberger Wissenschaftler erläutert.
Für Prof. Robinson und seine Kollegen ist mit Blick auf neue Untersuchungen auch das „Mother Tree“-Konzept nicht haltbar. So seien viele diesem Konzept zugrundeliegende Publikationen, die vermeintlich einen gezielten Transfer von Kohlenstoff von älteren zu jüngeren Bäumen mittels vernetzender Pilze – den sogenannten Mykorrhizzen – belegen können, unter anderem wegen fehlender Kontrollvarianten inkorrekt. „Und dort, wo die Daten einen solchen Transfer tatsächlich nahelegen, ist die ausgetauschte Kohlenstoffmenge so gering, dass sie für den empfangenden Baum physiologisch völlig irrelevant ist“, sagt Prof. Robinson. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisieren zudem, dass in beiden Büchern für bestimmte Aussagen Quellen als Belege verwendet werden, die kein qualitätssicherndes Begutachtungsverfahren durchlaufen haben.
In ihrem Beitrag zeigen die Autoren schließlich auch auf, welche fatalen Folgen es für die Anpassung der Wälder an den Klimawandel haben könnte, wenn politische Weichenstellungen dafür nicht auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern auf „der Grundlage wohlklingender, aber falscher Botschaften“ getroffen werden, so Prof. Robinson. Zur Gruppe der Autoren gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Göttingen ebenso wie aus Chile, Großbritannien, Irland, Israel, Kanada, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien und den USA. Sie vertreten die Fachbereiche Biologie, Forstwissenschaften und Pflanzenwissenschaften.
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