Der dominikanische Präsident Luis Abinader hat am 20. September vor der 78. Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) in New York die Maßnahmen seiner Regierung gegen den Bau eines illegalen Kanals im Nordosten Haitis verteidigt. Der Kanal würde nach seiner Fertigstellung Wasser aus dem Fluss Dajabón ableiten und damit gegen ein Grenzabkommen der beiden Länder aus den 1920er Jahren verstoßen. Artikel 10 des am 20. Februar 1929 zwischen der Dominikanischen Republik und der Republik Haiti unter-zeichneten Tratado de paz, amistad y arbitraje (Vertrag über Frieden, Freundschaft und Schiedsgerichtsbarkeit) legt fest, dass „in den Fällen, in denen Flüsse oder andere Wasserläufe im Hoheitsgebiet des einen Staates beginnen, bevor sie in das Hoheitsgebiet des anderen Staates eintreten, oder als Grenze zwischen den beiden Staaten dienen, die beiden Vertragsparteien sich verpflichten, keine Arbeiten durchzuführen oder zuzulassen, die geeignet sind, den Lauf dieser Wasserläufe zu verändern oder die Produkte ihrer Quellen zu verändern.“
Die dominikanische Regierung hat in der vergangenen Woche eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um einem internationalen Verstoß an einem Flussabschnitt auf haitianischem Territorium zu begegnen. Die bedeutendste Maßnahme war die Schließung der Grenze zu Haiti am Freitag, den 15. September. „Dies geschieht, um unsere Sicherheit und unsere nationalen Interessen zu gewährleisten und um unsere Flüsse, unsere Umwelt und unsere landwirtschaftliche Produktion zu schützen“, sagte der dominikanische Präsident Luis Abinader in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung. In seiner Rede betonte Abinader auch, dass „die Regierung der Dominikanischen Republik nie offiziell über das Bauprojekt informiert und ihr keine Unterlagen über Umfang, Umweltauswirkungen oder die Endbegünstigten vorgelegt wurden“. Analysen der dominikanischen Behörden zeigen, dass der Bau die Wasserversorgung hunderter dominikanischer und haitianischer Bauernfamilien flussabwärts der Kanalbaustelle gefährdet.
In seiner Rede wies Präsident Abinader darüber hinaus auf weitere mögliche negative Folgen dieses illegalen Bauprojekts hin. „Das Projekt könnte den Industriepark CODEVI überfluten, der 300 Meter unterhalb der Baustelle des Kanals liegt, und die 19.000 dort beschäftigten haitianischen Arbeiter gefährden. Außerdem könnten Teile der Grenzstädte Dajabón und Juana Méndez, die etwa 300 km nordwestlich der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo liegen, überflutet werden, was eine Bedrohung für die Einwohner darstellen würde. Damit nicht genug, hätte dies auch negative ökologische Auswirkungen auf die Saladillo-Lagune, eines der wichtigsten Feuchtgebiete der Dominikanischen Republik.“
Der Fluss Dajabón hat bis zu seiner Mündung in die Bucht von Manzanillo eine Länge von rund 55 km. Davon liegen lediglich 2 km auf haitianischem Territorium. In diesem Abschnitt will Haiti den Kanal bauen. Der dominikanische Präsident erinnerte daran, dass seine Regierung nach Bekanntwerden des Projekts im Jahr 2021 die haitianischen Behörden wiederholt aufgefordert habe, „den einseitigen und illegalen Bau dieses Kanals zu stoppen“. In seiner Rede vor der UN-Generalversammlung bekräftigte der Präsident zudem, dass die Dominikanische Republik trotz der von seiner Regierung ergriffenen Maßnahmen keine Konfrontation mit dem haitianischen Volk wünsche oder suche. „Aber wir sind mit unkontrollierbaren Akteuren konfrontiert, die in ihrem eigenen Interesse in Haiti einen Zustand der Unsicherheit aufrechterhalten und nun gegen die Stabilität ihrer eigenen Regierung und die Sicherheit ihrer Wasserressourcen arbeiten“, sagte Abinader.
Regionale Bedrohung
Der dominikanische Präsident betonte, dass die von ihm angeführte Regierung seit seinem Amtsantritt im August 2020 vor den in der vergangenen Woche eingeleiteten Maßnahmen gewarnt und dass er sich bereits vor zwei Jahren in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen diesem Thema gewidmet habe. Er wies darauf hin, dass Haiti nicht nur unter einer Umwelttragödie leidet, sondern auch unter einer politischen und sozialen Instabilität, die zu einer regionalen Bedrohung werden könnte. Abinader erinnerte alle Anwesenden daran, dass „wir bereits seit Langem davor warnen, die Situation in Haiti könne Landesgrenzen überschreiten und zu einem destabilisierenden Faktor für die Region werden. Deshalb muss die Staatengemeinschaft die Haiti-Frage ein für alle Mal zu einer ihrer höchsten Prioritäten erklären und mit einer kontinuierlichen Beobachtung beginnen.“
In den letzten drei Jahren hat die dominikanische Regierung die internationale Gemeinschaft angerufen, um Haiti bei der Lösung seiner Probleme zu unterstützen. Hierbei könnte es nun Fortschritte geben, nachdem der US-Präsidenten Joe Biden Anfang dieser Woche in einer Rede vor der Versammlung den UN-Sicherheitsrat dazu aufgefordert hatte, eine internationale Sicherheitsmission in Haiti zu genehmigen. Präsident Abinader unterstützt dieses Ansinnen nachdrücklich.
„Was in Haiti geschieht, ist ein von kriminellen Elementen vorangetriebener Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung ohne politische oder ideologische Grundlage. Die Entsendung einer multinationalen Truppe als Antwort auf das Hilfeersuchen der haitianischen Behörden entspricht daher dem Geist und dem Wortlaut der Charta der Vereinten Nationen sowie dem Auftrag dieser Organisation, das Völkerrecht zu wahren und den Frieden zu sichern“, erklärte der Präsident der Dominikanischen Republik.
Abinader schloss seine Rede, indem er seine Solidarität mit dem haitianischen Volk bekräftigte, „ohne jedoch zu vergessen, dass unsere Hauptverantwortung darin besteht, die Interessen des dominikanischen Volkes zu verteidigen. So haben wir immer gehandelt, so handeln wir heute, und seien Sie versichert, dass wir auch weiterhin so handeln werden. Denn die Dominikanische Republik wird nicht die Probleme der Haitianer lösen können.“
Leider kein Kommentar vorhanden!