Der dominikanische Präsident Luis Abinader hat die am 15. September verhängte Grenzschließung durch die Öffnung vorläufiger provisorischer Handelskorridore (PCCs) gelockert, um den dringenden Bedarf der haitianischen Bevölkerung an lebenswichtigen Gütern zu decken. Dies geschah trotz der Weigerung Haitis, den einseitig beschlossenen, illegalen Kanalbau am Fluss Dajabon/Masacre zu stoppen, oder den diplomatischen Dialog wieder aufzunehmen, um sich über eine gerechte, faire und sichere Nutzung dieses Gewässers zu verständigen.
Der Präsident hat die provisorischen Handelskorridore (PCCs) in dem Bestreben geöffnet, die Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme eines diplomatischen Dialogs zu erfüllen. Hierzu gehörten auch die Einstellung der Arbeiten am Kanal aufgrund der damit verbundenen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Risiken sowie die Schaffung aller notwendigen Voraussetzungen für die von Abinader geforderte Vermittlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in dem Konflikt. Dieser Vermittlungsprozess hat mit der Ankunft einer OAS-Delegation in Santo Domingo am Montag, den 16. Oktober begonnen.
Eine Woche vor Ankunft der OAS-Delegation trat der dominikanische Nationale Sicherheitsrat unter dem Vorsitz von Abinader zusammen, um am 9. Oktober verschiedene Maßnahmen zu verabschieden. Die wichtigste war die Genehmigung der PCCs in den Provinzen Dajabon, Elias Pina, Independencia und Pedernales. Ziel dieser provisorischen Handelskorridore, die unter strenger militärischer Kontrolle betrieben werden und mit einer biometrischen Registrierung einhergehen, ist es, die Lieferung lebenswichtiger Güter wie Lebensmittel und Medikamente nach Haiti zu ermöglichen.
Die Korridore wurden am Mittwoch, dem 11. Oktober, geöffnet. Bislang hat noch kein Handel stattgefunden, weil die haitianische Regierung sich weigert, ihre Grenzen zu öffnen. Abinader erklärte am Montag, den 16. Oktober, dass die haitianische Regierung das Recht habe, ihre Grenze geschlossen zu halten und den Kauf von Produkten aus der Dominikanischen Republik zu verweigern. „Die Entscheidung liegt bei ihnen“, erklärte er.
OAS-Delegation in Santo Domingo
Ebenfalls am 16. Oktober traf eine Delegation der OAS unter der Leitung ihres Sekretärs für Rechtsangelegenheiten, Jean Michel Arrighi, in Santo Domingo ein, um mit der Sammlung von Informationen über den Konflikt zu beginnen. Dies ist der erste Schritt in der Krisenvermittlung, die von Präsident Abinader zunächst erbeten, dann Haiti von OAS-Generalsekretär Luis Almagro angeboten und schließlich von der haitianischen Regierung im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung zur Beilegung des Konflikts angenommen wurde, die Ende letzter Woche am Sitz der OAS in Washington, D.C. stattfand.
„Der heute angekommenen Delegation kommt eine entscheidende Bedeutung in dieser Auseinandersetzung zu“, erklärte der dominikanische Außenminister Roberto Alvarez während eines Treffens am Montag, den 16. Oktober, am Sitz des Außenministeriums. „Ihre Erfahrung und ihr Fachwissen sind von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, diese Fragen auf faire und objektive Weise anzugehen und sich dabei von ihrem Engagement für die Stärkung des Friedens und der Zusammenarbeit in unserer Region leiten zu lassen. Wir hoffen, dass dieser Prozess uns zu einer Lösung führen wird, die den Anliegen beider Nationen Rechnung trägt und die rechtliche und institutionelle Architektur unserer bilateralen Beziehungen stärkt.“
Die Arbeit der Delegation wurde am Dienstag, den 17. Oktober, mit ihrer Ankunft im Einzugsgebiet des Dajabon/Masacre-Flusses fortgesetzt, wo sie das Gebiet inspizierte, um Informationen zu sammeln. Nach ihrer Rückkehr nach Washington, D.C., wird sie Generalsekretär Almagro Bericht erstatten.
Ursprung des Konflikts
Auslöser des Konflikts ist der Bau eines Kanals, der nach Ansicht der dominikanischen Regierung gegen Artikel 10 des am 20. Februar 1929 zwischen der Dominikanischen Republik und der Republik Haiti unterzeichneten „Tratado de paz, amistad y arbitraje“ (Vertrag über Frieden, Freundschaft und Schiedsgerichtsbarkeit) verstößt. Dieser Artikel legt fest, dass „in Fällen, in denen Flüsse oder andere Wasserläufe im Hoheitsgebiet des einen Staates beginnen, bevor sie in das Hoheitsgebiet des anderen Staates einmünden, oder als Grenze zwischen den beiden Staaten dienen, beide Vertragsparteien sich verpflichten, keine Arbeiten durchzuführen oder zuzulassen, die geeignet sind, den Lauf dieser Wasserläufe zu verändern oder die Produkte ihrer Quellen zu verändern.
Abinader wies erneut auf die mit dem Bau des Kanals verbundenen Gefahren hin und erklärte, dass nicht der Kanal selbst, sondern der für die zweite Phase des Projekts geplante Damm beziehungsweise die Stützmauer am meisten Anlass zur Sorge gebe. „Diese könnten viel schlimmere Folgen haben als der Bau des Kanals selbst“, erklärte er. „Die Folgen könnten erheblich sein, und zwar nicht nur für die Strömung des Flusses.“
Nach Angaben der dominikanischen Behörden deuten die von ihnen durchgeführten Analysen darauf hin, dass der Bau des Kanals die Wasserversorgung hunderter dominikanischer und haitianischer Bauernfamilien flussabwärts der Baustelle bedroht. „Dieses Projekt gefährdet den 300 Meter flussabwärts gelegenen Industriepark CODEVI mit seinen 19.000 haitianischen Arbeitern sowie einen Teil der Bewohner der Grenzstädte Dajabon und Juana Mendez, die etwa 300 Kilometer nordwestlich der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo liegen“, so Abinader. Damit nicht genug, hätte dies auch negative ökologische Auswirkungen auf die Saladillo-Lagune, eines der wichtigsten Feuchtgebiete der Dominikanischen Republik.
Außenminister Roberto Alvarez gab diese Informationen bei seinem Auftritt vor der OAS am 12. Oktober bekannt. Nach einer Intervention des diplomatischen Vertreters Haitis in dieser Sitzung, die dieser aufgrund ihres Inhalts als irrational und inakzeptabel bezeichnete, äußerte sich Alvarez wie folgt zu den Gefahren, die von dem für den Bau des Kanals erforderlichen Staudamm ausgehen. „Ich verstehe nicht, wie ein verantwortungsbewusster Staat sich weigern kann, sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen und eine Lösung zu finden“, sagte er. „Das ist ein absolut unverantwortliches Vorgehen, das zu internationalem Unrecht führen könnte, mit allen damit verbundenen Konsequenzen.“
„Es ist uns ein Bedürfnis, nicht nur das Interesse der dominikanischen Regierung an einer fairen und gerechten Lösung zu betonen, sondern auch die Verantwortung der haitianischen Regierung in dieser Situation deutlich zu machen, sollte der Bau zu einer Tragödie führen, die aktuell niemand sehen will“, warnte der dominikanische Diplomat.
Über die Comisión Multisectorial Marca País
Die Comisión Multisectorial Marca País (Multisektorale Kommission für die Landesmarke der Dominikanischen Republik) wurde von der Regierung des Präsidenten Luis Abinader mit dem Ziel gegründet, die Entwicklung der Dominikanischen Republik zu fördern und das Ansehen, die Interessen und Rechte des Landes im Ausland zu vertreten. Die Kommission wird vom Präsidenten der Republik, der höchsten Autorität des Landes, geleitet und setzt sich aus Vertretern des öffentlichen und privaten Sektors zusammen, um das Land als eines der attraktivsten Ziele für Investitionen, Handel und Entwicklung zu positionieren.
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