Das wachsende Problem des „Wasserstresses“ in Lateinamerika wird von Wissenschaftlern als das Ungleichgewicht zwischen Wasserbedarf und -angebot in einer Region definiert. In diesem Teil des Kontinents gibt es einige Länder, die ihren Wasserverbrauch um fast das Doppelte steigern werden. Die Gesamtnachfrage nach Wasser in dieser Region hat sich seit 1960 verdoppelt, während die verfügbaren Wasserressourcen immer knapper werden. Die Prognosen sind alarmierend: In 25 Jahren wird die Hälfte der Weltbevölkerung in Gebieten mit Wasserknappheit leben. In Lateinamerika wird die Wassernachfrage bis 2050 voraussichtlich um 43 % steigen und damit fast doppelt so stark wie der weltweite Durchschnitt. Ohne dringende Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen wird eine Zukunft mit schweren Dürren, Wasserkonflikten und schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Landwirtschaft und die öffentliche Gesundheit erwartet.
Nach einer Analyse des World Resources Institute leiden 25 Länder der Welt bereits unter extremem Wasserstress. In Lateinamerika ist Chile das einzige Land in dieser ernsten Situation. Mexiko und Peru folgen dicht dahinter mit einem hohen Maß an „Wasserstress“. Die Prognosen für die Zukunft sind nicht ermutigend. Ohne verstärkte Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels wird Chile auch 2050 noch an der Spitze Lateinamerikas stehen, was den extremen Wasserstress angeht, während Mexiko und Peru auf einem hohen Niveau bleiben werden. Das Bild wird jedoch noch schlechter, wenn wir bis 2080 vorausschauen. Unter der Annahme, dass die derzeitige Umweltpolitik unverändert bleibt, werden Mexiko und Chile von extremem Wasserstress betroffen sein, während Peru und El Salvador ein hohes Niveau aufweisen werden.
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat drei Hauptfaktoren ermittelt, die die Wasserkrise in Lateinamerika verschärfen
Bevölkerungswachstum und Migration: Die wachsende Nachfrage nach Trinkwasser und sanitären Einrichtungen wird durch die Migrationsströme noch verschärft.
Ausweitung der Landwirtschaft: Die Nahrungsmittelindustrie, die in der Region von großer Bedeutung ist, erfordert einen steigenden Wasserverbrauch.
Industrielle Entwicklung: Die in Lateinamerika boomenden industriellen Aktivitäten üben ebenfalls starken Druck auf die Wasserressourcen aus.
Während diese Situationen auch in anderen Regionen zu beobachten sind, verschärfen sie sich in Lateinamerika in alarmierendem Maße. „Die aktuelle Situation ist äußerst besorgniserregend“, sagt Michelle Muschett, Leiterin des UNDP-Büros für Lateinamerika und die Karibik, in einem Interview mit BBC Mundo. Einerseits steigt der Wasserverbrauch, andererseits sinkt die Verfügbarkeit dieser Ressource aufgrund der Zunahme extremer Wetterereignisse wie Dürren und des fortschreitenden Temperaturanstiegs- direkte Folgen des Klimawandels. Muschett erklärt, dass Wasserstress nicht nur ein Umweltproblem ist, da Wasserknappheit die Ungleichheiten verstärkt und schwerwiegende Auswirkungen auf die Ernährung hat, da Lebensmittel knapp und teurer werden können. Wassermangel schränkt nicht nur die Nutzung für Trink- und Hygienezwecke ein, sondern hat auch schwerwiegende Folgen für die öffentliche Gesundheit und die Wirtschaft der Haushalte.
Die letztjährige Dürre hatte verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Argentinien und Peru und verursachte Ernteverluste, die ein alarmierendes Ausmaß erreichten. Die beispiellosen Dürren, die die Region heimsuchten, beeinträchtigten nicht nur die Landwirtschaft, sondern hatten auch erhebliche Auswirkungen auf den Panamakanal. Aufgrund des gesunkenen Wasserstands mussten restriktive Maßnahmen für die Durchfahrt von Schiffen ergriffen werden, was sich auf den weltweiten Seehandel und die panamaische Wirtschaft auswirkte.
Wasserknappheit wirkt sich nicht nur auf den menschlichen Konsum und die Landwirtschaft aus, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Energieerzeugung, insbesondere in den Regionen, die stark von Wasserkraftwerken abhängig sind. Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare Energiequelle, die als „grün“ gilt, aber das Problem ist, dass sie wegen der Wasserknappheit nicht mehr so zuverlässig ist. Die Dürre, die die Region in diesem Jahr heimsuchte, hatte besonders schwerwiegende Auswirkungen in Ecuador, wo die Stromerzeugung stark von der Wasserkraft abhängt.
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