Ein halbes Jahr nach dem schweren Erdbeben in Haiti hat sich die medizinische Versorgung für einen Großteil der Bevölkerung deutlich verbessert, die allgemeinen Lebensbedingungen sind jedoch für viele noch immer prekär. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht „Emergency Response after the Haiti Earthquake: Choices, Obstacles, Activities and Finance“, den Ärzte ohne Grenzen diese Woche veröffentlichte. Die internationale Hilfsorganisation ist seit 19 Jahren im Land tätig und hat nach der Naturkatastrophe am 12. Januar 2010 den größten akuten Nothilfeeinsatz ihrer Geschichte gestartet.
„Die Haitianer selbst waren die ersten, die nach der Naturkatastrophe geholfen haben. Wir haben sie mit einem massiven Einsatz unterstützt“, sagt Stefano Zannini, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen, der auch schon vor dem Beben in Haiti arbeitete. „Heute ist die medizinische Versorgung der Haitianer besser, und der Zugang zu ihr leichter als vor dem Erdbeben. Das ermöglicht auch ärmeren Menschen eine angemessene Behandlung.“ Viele Haitianer sind jedoch vom Tempo des Wiederaufbaus enttäuscht und die Frustration wächst. „Es gibt eine erschütternde Kluft zwischen dem Enthusiasmus und den Hilfsversprechen der ersten Wochen und der düsteren Realität ein halbes Jahr später“, betont Zannini.
Vom 12. Januar bis Ende Mai dieses Jahres behandelten Teams von Ärzte ohne Grenzen mehr als 173.000 Patienten und nahmen gut 11.000 chirurgische Eingriffe vor. Mehr als 81.000 Haitianer erhielten psychologische Unterstützung. Die Mitarbeiter verteilten außerdem fast 20.000 Zelte und mehr als 35.000 Nothilfe-Kits. Ärzte ohne Grenzen erhielt bis Ende Mai Spenden in Höhe von 91 Millionen Euro für Haiti, von denen etwa 53 Millionen Euro bereits in den ersten fünf Monaten nach dem Beben eingesetzt wurden. Bis Ende 2010 sollen rund 89 Millionen Euro für die direkte Nothilfe ausgegeben werden.
Der Bericht dokumentiert auch einige Entscheidungen, die Ärzte ohne Grenzen in den ersten Wochen nach dem Beben treffen musste. So zwang die extrem hohe Zahl der Verletzten die Teams beispielsweise dazu, sich zunächst fast ausschließlich auf die Stabilisierung der Patienten und auf Notfallchirurgie zu konzentrieren.
Ärzte ohne Grenzen wird die Arbeit für die Erdbebenopfer auch in den kommenden Jahren fortsetzen. „Das Gesundheitssystem in Haiti, dem Nachbarstaat der Dominikanischen Republik, war schon vor dem 12. Januar fragil“, so Dr. Unni Karunakara, internationaler Präsident der Organisation. „Das Erdbeben hat viele gesundheitliche Einrichtungen zerstört. Es wird Jahre dauern bis das Land wieder auf eigenen Füßen steht.“
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