Oropouche-Virus: Neues Risiko für Europa?

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Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch den Vektor Culicoides paraensis, der im Volksmund als Maruim- oder Schießpulvermücke bekannt ist (Foto: Conselho Federal de Farmácia)
Datum: 24. Juli 2025
Uhrzeit: 06:23 Uhr
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Autor: Redaktion
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Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) haben gemeinsam mit Kollegen der Universität Hamburg und weiteren Einrichtungen erstmals das Risiko einer Übertragung des tropischen Oropouche-Virus (OROV) durch in Europa verbreitete Stechmückenarten untersucht. Ergebnis: Unter bestimmten klimatischen Bedingungen kann die invasive Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) das Virus übertragen – ein mögliches Risiko für Südeuropa. Das Oropouche-Virus gehört zu den sogenannten Arboviren, also Viren, die durch blutsaugende Arthropoden (Gliederfüßer) übertragen werden. Als ein solcher Überträger (Vektor) von OROV waren bislang nur Gnitzen bekannt, die Rolle von Stechmücken war ungeklärt. Seit Anfang 2024 kam es in mehreren Ländern Mittel- und Südamerikas zu einem massiven Anstieg von OROV-Infektionen. Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO/WHO) verzeichnete über 11.000 bestätigte Fälle bis Ende des Jahres – darunter erstmals auch Todesfälle sowie Hinweise auf eine mögliche Übertragung während der Schwangerschaft mit schwerwiegenden Folgen wie Fehlgeburten und Mikrozephalie (kleinen Kopfumfang). Angesichts dieser Entwicklung stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Risiko im betroffenen Raum als hoch ein. In Europa wurden bereits einzelne importierte Fälle bei Reiserückkehrenden festgestellt. Unklar war bislang, ob Stechmücken überhaupt als Überträger des Oropouche-Virus in Frage kommen, also eine sogenannte Vektorkompetenz für dieses Arbovirus besitzen – eine zentrale Frage für die Risikobewertung.

Fünf Mückenarten unter der Lupe

Die nun veröffentlichte Studie liefert erste Antworten und eine Risikobewertung für Europa: Das Team untersuchte fünf auf dem europäischen Kontinent verbreitete Stechmückenarten im Labor, sowohl heimische (Culex pipiens biotyp pipiens und C. torrentium) als auch invasive Arten wie Aedes aegypti, A. japonicus und A. albopictus. Die Tiere wurden mit Oropouche-Viren infiziert und bei unterschiedlichen Temperaturen gehalten. Die Forschenden analysierten, ob sich die Stechmücken tatsächlich mit OROV infizieren lassen (eine Voraussetzung für die Übertragung auf den Menschen) und ob eine Übertragung durch den Speichel stattfinden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass nur Aedes albopictus bei Temperaturen von 24 bis 27 °C eine geringe Vektorkompetenz für OROV aufwies. Bei niedrigeren Temperaturen und bei den anderen getesteten Stechmückenarten ließ sich keine Virusübertragung nachweisen.

Nur eine Art zeigte Übertragung – bei Wärme

Um die epidemiologische Relevanz dieser Beobachtung einzuordnen, kombinierten die Forschenden ihre Labordaten mit Klimadaten und aktuellen Verbreitungskarten von Aedes albopictus. Die Analyse zeigt, dass insbesondere Regionen rund um das Mittelmeer klimatische Bedingungen aufweisen, die eine saisonale Virusübertragung im Sommer begünstigen könnten. Besonders betroffen wären dabei Gebiete in Spanien, Süditalien, Griechenland und der Türkei – Regionen, in denen Aedes albopictus bereits etabliert ist.

„Ein realistisches, aber begrenztes Risiko“

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Oropouche prinzipiell auch in Europa übertragen werden könnte, wenn infizierte Reisende auf Populationen von Aedes albopictus in wärmeren Regionen treffen“, sagt Dr. Anna Heitmann, Letztautorin der Studie. „Die Vektorkompetenz ist zwar niedrig, aber nicht gleich null – das macht Wachsamkeit und weitere Forschung notwendig.“ Derzeit lasse sich nicht vorhersagen, ob es in Europa jemals zu autochthonen Ausbrüchen komme, so Heitmann weiter, also zu Infektionen, die nicht durch Reiserückkehrende eingeschleppt, sondern direkt vor Ort durch heimische Stechmücken übertragen werden. „Aber wie bei Dengue, Zika oder Chikungunya sehen wir, dass eingeschleppte Viren durch invasive Stechmückenarten unter bestimmten Bedingungen auch bei uns zirkulieren können.“

Die Forschenden veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal The Journal of Infectious Diseases. Mit ihrer Arbeit tragen sie dazu bei, das Risiko neuer Infektionskrankheiten im Kontext globaler Mobilität und Klimaerwärmung besser einzuschätzen – und betonen, wie wichtig integrierte Überwachungs- und Frühwarnsysteme für durch Stechmücken übertragene Krankheiten in Europa sind.

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