Innerhalb weniger Minuten verwüstete ein heftiger Tornado die südbrasilianische Stadt Rio Bonito do Iguaçu, tötete sechs Menschen und verletzte Hunderte. Fast 700 Familien verloren ihr Zuhause. Die Überlebenden sind nun in Schulen und Turnhallen untergebracht und versuchen, ihr Leben, das der Wind zerstört hat, wieder aufzubauen. Die Warnung kam nicht in Form einer Sirene, sondern als ein Dröhnen. Der Himmel verdunkelte sich, senkte sich und bewegte sich dann, eine Windwand, die Dächer abdeckte, Bäume entwurzelte und Trümmer wie Granatsplitter durch die Luft wirbelte. In weniger als zwei Minuten war Rio Bonito do Iguaçu nicht mehr wiederzuerkennen. Der Tornado mit Windböen von bis zu 250 Kilometern pro Stunde zerstörte fast jedes Gebäude in dieser Gemeinde mit 13.500 Einwohnern, die nahe der brasilianischen Grenze zu Paraguay und Argentinien liegt. Als er vorüber war, gab es sechs Tote, mehr als 800 Verletzte und 90 Prozent der Stadt lagen in Trümmern. Stromleitungen waren wie Bänder verdreht, Autos lagen auf dem Dach auf den Gehwegen.
Beamte des Zivilschutzes sagten, der Sturm habe sich innerhalb eines außertropischen Zyklons gebildet, der bereits den Süden Brasiliens bedroht hatte. Aber kein Radarbild und keine Warnung konnten die Bewohner auf das Geräusch ihrer sich hebenden Dächer vorbereiten, auf den Druck, der die Wände zum Zittern brachte, als würden sie atmen. Der Tornado verstreute die Menschen ebenso rücksichtslos wie ihre Habseligkeiten. Der Strom war ausgefallen. Die Wasserleitungen waren unterbrochen. Als die Nacht hereinbrach, drängten sich etwa 1.000 Einwohner in Notunterkünften im nahe gelegenen Laranjeiras do Sul, Klassenzimmer wurden zu Schlafsälen, Turnhallen zu Dörfern. In einer Ecke faltete eine Großmutter unter dem Licht einer Taschenlampe Wäsche. In einer anderen schliefen Kinder auf Feldbetten unter Decken mit Fußballmannschaftsmotiven. Der Geruch von Instantkaffee und feuchter Kleidung lag in der Luft.
Zeugen eines Windes, der alles mitriss
Alle Überlebenden erzählen dieselbe Geschichte, nur in unterschiedlichen Varianten. Eine Tür verschwindet aus ihren Angeln. Eine Zisterne fliegt davon. Ein Kleiderschrank gleitet über die Fliesen, als würde er Schlittschuh laufen. Schwester Rosane Correa Teixeira von den Schwestern von St. Joseph erinnert sich, dass sie den ersten Donnerschlag hörte und instinktiv die Stecker der Elektrogeräte zog. „Es war keine Zeit“, erzählte sie. „Die Haustür flog weg und das Dach begann einzustürzen. Gegenstände wie Äste, Fliesenstücke und Wassertanks flogen durch das Haus. Es war erschreckend. Es fühlte sich an, als würde das Haus einstürzen, weil alles einen schrecklichen Lärm machte.“ Dieses Gefühl bleibt in den Körpern der Überlebenden zurück, das Erschrecken, wenn Plastik raschelt, das Frösteln, wenn der Wind an einem Fenster rüttelt. Die Erholung beginnt nicht mit Bulldozern, sondern mit der Rückkehr kleiner Geräusche: dem Kratzen eines Besens, dem Klirren einer Teetasse, dem Flüstern von jemandem, der Glas zu einem Haufen zusammenkehrt. Jede Geste ist sowohl Aufräumarbeit als auch Therapie.
Glaube, Logistik und der lange Wiederaufbau
Die Rechnung der Katastrophe ist grausam: Jahrzehnte zum Aufbauen, Sekunden zum Verlieren. Der Wiederaufbau wird diese Gleichung umkehren, langsam, mühsam, teuer. Zuerst kommen Planen und Sperrholz, dann Formulare und Genehmigungen, dann das lange Warten auf Bauunternehmer. Hilfe wird kommen; sie kommt immer zu spät. Vorerst überlebt Rio Bonito do Iguaçu dank Improvisation. Freiwillige fahren ältere Menschen zu Kliniken, Lehrer verwandeln Klassenzimmer in Kindertagesstätten, Nachbarn teilen Nägel und Holz, das sie aus den Trümmern geborgen haben. Der Sturm, der den Tornado hervorgebracht hat, ist nach Osten gezogen, seine Winde haben sich gelegt. Was bleibt, sind Fragen, die sich langsamer bewegen: Wie hält man eine Gemeinschaft zusammen, wenn ihre geografische Struktur ausgelöscht wurde? Wie verwandelt man Notunterkünfte wieder in Nachbarschaften?
Der Glaube füllt die Lücken, die die Planung noch nicht schließen kann. „Ich habe Gott gedankt, dass der Sturm das Haus nicht mitgerissen hat“, wiederholte Lourdes leise. Aber die nächste Bewährungsprobe wird praktischer Natur sein: Sirenen, die jede Straße erreichen, Bauvorschriften, die Stahl gegenüber Holz bevorzugen, Gemeinschaftsübungen, bevor die Saison wechselt. Am Rande der Stadt glänzen blaue Planen in der Sonne wie ein zweiter Horizont. Die Hügel dahinter sehen unberührt aus, ein grausamer Kontrast. Doch in den Notunterkünften nimmt das Leben seinen hartnäckigen Rhythmus wieder auf. Jemand kocht Wasser für Kaffee. Ein Junge rezitiert seine Lektion unter einer Turnhalleneinrichtung. Ein Besen wischt über Fliesen, die gestern noch unter freiem Himmel lagen. Rio Bonito do Iguaçu wird nicht mit großen Gesten wieder aufgebaut werden, sondern mit kleinen, einer Planke, einem Gebet, einem Nachbarn, der einem anderen hilft.







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