Der versprochene Wiederaufbau des Landes nach dem verheerenden Erdbeben scheint gelähmt. Eine der wichtigsten Fragen in den vergangenen Wochen und Monate lautete: Wessen Land ist das?
Vor dem Beben weidete direkt unterhalb der Verbindungstrasse nach Port-au-Prince, auf einem etwa 20 Hektar großen Grundstück, eine Ziegenherde. Der angebliche Pächter baute ebenfalls Mais und Zuckerrohr darauf an. Eine der reichsten Familien in Haiti behauptete, dass Areal gehöre ihr, hatte allerdings nie Dokumente dafür besessen.
Heute nennen schätzungsweise 25.000 Menschen diesen Flecken Erde ihre Heimat. Von dem Hügel bis zum Horizont sieht man tausende Zeltplanen. Allerdings verändert sich hier alles sehr schnell. Inzwischen entstehen richtige Behausungen aus Blech und Holz, kleine Gärten werden angepflanzt und mit Türen und Zäunen umgeben. Selbst ein Internet-Café und mehrere Schönheitssalons wurden eingerichtet.
Gruppen von sogenannten „Sicherheitskräften“ patroullieren auf dem Gelände und verjagen mit Steinen, Stöcken und Macheten jeden „Eindringling“. Einwohner lassen nicht einmal Mitarbeiter von Hilfsorganisationen auf „ihr“ Land. „Das Land gehört jetzt uns. Mich bringt hier niemand mehr weg“ erklärt Katlyne Camean, die mit ihrer Familie Salat und Mais hinter ihrer Behausung anbaut.
Niemand weiß wo die mehr als eine Million Menschen, die durch das Beben im Januar obdachlos geworden sind, auf Dauer untergebracht werden sollen. Die Regierung und die ausländischen Hilfsorganisationen wollen viele wieder in ihre alten Stadtviertel oder auf Freiflächen unterbringen. In deren Nähe sollen dann neue Einfamilien-Unterkünfte gebaut werden. Dies ist aber bei der bereits angespannten Lage nicht möglich,da sich der rechtmässige Eigentümer eines Grundstückes nicht ermitteln lässt.
„Das Problem der Eigentumsverhältnisse in unserem Land geht 200 Jahre zurück“, gab Präsident Rene Preval kürzlich in einem Interview bekannt. „Wenn man danach geht, wem hier alles irgendetwas gehört, dann müsste Haiti größer sein als die Vereinigten Staaten“. Haiti hat in der Tat die Größe vom amerikanischen Bundesstaat Maryland. Doch Generationen von Korruption, Diktatur und Staatsstreiche haben dazu geführt, dass viele Menschen Besitzer von ein und demselben Grundstück sind.
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