El Decreto Supremo 748 „Gasolinazo“: Kraftstoffpreiserhöhung in Bolivien

Benzinpreiserhöhung in Bolivien

Datum: 28. Dezember 2010
Uhrzeit: 18:02 Uhr
Leserecho: 3 Kommentare
Autor: Sascha Blodau
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Die Kosten für Transporte und Lebensmittel in Bolivien sind dabei drastisch zu steigen. Eine neu durchgesetzte Kraftstoffpreiserhöhung greift die Wirtschaft an. Die bolivianische Bevölkerung ist von der Regierungs-Verordnung “Gasolinazo” überrascht worden, da eine Erhöhung der Kraftstoffpreise zwischen 57% bis 82% nicht im Vorfeld angekündigt wurde.

Lange Schlangen von Fahrzeugen sind an den Tankstellen zu beobachten, während in den Märkten die Bürger verzweifelt nach den wichtigsten Lebensmitteln suchen, bevor die Preise endgültig in die Höhe schießen. Viele Großhandelszentren haben ihre Verkaufsstellen vorübergehend geschlossen, um die Priese neu zu berechnen. Pünktlich nach Weihnachten am 27.12. ist der Liter Diesel von 3,72Bs auf 6,80Bs gestiegen, was einen Preisanstieg um 82% bedeutet. Das Benzin der obersten Qualitätsklasse ist von 4,79Bs auf 7,51Bs gestiegen, dies ist eine Erhöhung von 57%. Mit dem Staats-Erlass Nr.748, der eine deutliche Erhöhung der Preise für Benzin und Diesel bedeutet, haben sie zugleich die bolivianische Wirtschaft stark angegriffen.

Schon jetzt sind die Preise für Lebensmittel und Konsumgüter und auch die Tarife für den Transport auf der Straße stark angestiegen. Der bolivianische Wirtschaftsanalyst Gonzalo Chávez bezeichnet dieses Verhalten des Staates als Neoliberal. Dazu kommt, dass man große finanzielle Probleme im Staatshaushalt vermutet. Nach Aussage des Schatzmeisters zeigt dieses „Decreto Gasolinazo“ ganz deutlich, dass es ein großes Finanzloch im Staatshaushalt gibt. Und es zeigt, dass die Regierung dringend neue Ressourcen und Geldquellen benötigt. Dabei wendet sie allerdings eine Methode an, die schon seit einigen Jahren in Vergessenheit geraten ist. Dieses Verhalten erinnert sehr stark an die neoliberalen Epochen oder auch an Militärdiktaturen, die solche Kraftstoffpreiserhöhungen als Regulierungsmaßnahmen für staatliche Geldprobleme angewendet haben.

Die Auszahlung der staatlichen Zuwendungen für mildtätige Zwecke, wie der „Bono Juancito Pinto“ (Schulgeld für arme Kinder), die „Renta Dignidad“ (Mini-Rente für die Alten), der „Bono Juana Azurduy“(Mutter-Kind Geld) und andere Fördergelder für öffentliche Einrichtungen wie Sportplätze, Büchereien, und vieles mehr haben enorme Kosten verursacht, die jetzt die Exekutive gegenüber anderen Analysten mit den einzelnen Kriterien rechtfertigen und erklären muß.

Für den Präsident der „Vereinigung der privaten bolivianischen Unternehmer“ (Confederación de Empresarios Privados de Bolivia (CEPB)) Daniel Sánchez, ist klar, dass sich durch das „Decreto Gasolinazo“ alle Preise für Produktion und der Verteilung der Gelder für Investition und Dienstleistungen nachteilhaft verändern werden. Was die Wirtschaft besonders hart trifft ist der Anstieg des Dieselpreises von 3,72Bs auf 6,80Bs- quasi um 100%, weil es für die meisten Güter und Personentransporte benötigt wird.

Der Staat versucht inzwischen für Verständnis zu werben. Er versucht die Leute damit zu trösten, dass die Preise für Flüssig-Gas in Karaffen und für Fahrzeuge durch Subventionen konstant niedrig gehalten werden. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, wie die Bevölkerung mit diesem schweren Schlag umzugehen vermag. Mit größeren Problemen im Straßenverkehr ist zu Rechnen, sowie mit Protestaktionen. Würde mich jedenfalls wundern, wenn es nicht so wäre.

Vor den staatlichen Lebensmittelverkaufsstellen, wo die wichtigsten Lebensmittel wie Öl, Mehl, Zucker und Reis, vergünstigt in Rationen pro Person verkauft werden, kam es auf jeden Fall heute schon zu etwa 500 Meter langen Warteschlangen. Es gab sogar Leute, die vor den Läden campierten. Laut Auskunft der Polizei soll die Ausgabe von Zucker auf ca. 600 Personen begrenzt sein, die von Reis auf ca. 500. Die letzten Personen der Schlange hatten allerdings die Nummer 670 und mehr. Am Busterminal in La Paz wurden die Ausgänge für abfahrende Busse gesperrt.

Mal abwarten, wie es weiter geht.

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Sascha Blodau hat im Jahr 2010 seinen Lebensmittelpunkt nach Bolivien verlagert. In seiner Kolumne berichtet er über das Abenteuer „Auswandern“ und die Herausforderungen des täglichen Lebens im südamerikanischen Binnenstaat.

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  1. 1
    David Ohlig

    In Sucre fahren keine Minibusse mehr, nur noch Taxis. Die Taxifahrer wollen aber schon mehr Geld. Märkte und Supermarkt haben noch auf, aber Regale sind schon etwas leerer geworden.

    Einige Produkte sind schon teurer geworden. Unmöglich von hier mit dem Bus nach La Paz oder in eine andere Stadt zu kommen, lediglich mit dem Flugzeug geht noch, aber auch da sind die Preise schon deutlich gestiegen!

  2. ..glücklicherweise hat sich die Lage wieder schnell beruhigt, ist mir auch ein Rätzel wie ein Präsident der eigentlich selbst popularität aus Straßenblockaden und Streiks gewonnen hat sein Volk dermaßen Falsch einschätzen kann..

  3. 3
    Hans Wurst

    An Sascha: So wie Du es beschrieben hast, dass Evo das verschwedete Geld durch die Bezinpreiserhöhung wieder reinholen will entspricht doch nicht der Wahrheit. Erstmal „holt“ er gar nichts rein – er verringert die Ausgaben. Zweitens … hast Du etwas gegen „nicht weiße“?
    Grüße vom Rhein

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