Rund eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti ist die Situation vielerorts auch weiterhin nicht unter Kontrolle. In weiten Bereichen des Landes, besonders jedoch in der Hauptstadt Port-au-Prince ist die Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten nach wie vor katastrophal. Es kommt durch die verzweifelten Menschen immer häufiger zu Ausschreitungen und Plünderungen.
Die Berichterstattung aus den betroffenen Gebieten ist zudem weiterhin undurchsichtig und widersprüchlich. Dem latina press Nachrichtenportal liegt nun ein Augenzeugenbericht aus der Region Jacmel vor, der versucht, die Situation vor Ort so realistisch wie möglich zu schildern. Er stammt von Monika Lange, die seit rund einem halben Jahr gemeinsam mit ihrem Mann Christian in Haiti für den Deutschen Entwicklungsdienst tätig ist. Am Wochenende ist er mit einem haitianischen Kollegen in die Stadt an der Südküste gefahren, um sich selbst ein Bild von den Auswirkungen der Naturkatastrophe zu machen.
Demnach ist Jacmel nicht so stark vom Erdbeben betroffen, wie in den Medien bislang dargestellt wurde. Die Strecke von Port-au-Prince nach Jacmel über Macari war am Wochenende zwar nicht passierbar, da es dort viele Schäden gab. Ein Durchkommen gab es jedoch auf der Ausweichroute über Fond Jean Noel, wo lediglich einige Erdrutsche die Strasse durch Stein- und Felsbrocken etwas blockierten. Auf ihrem Weg kamen sie an einigen kleinen Orten vorbei:
- Peredo: keine sichtbaren Schäden.
- Marigot: keine großen sichtbaren Schaden, ein Neubau und eine Mauer sind dort eingestürzt.
- Kabik: keine Schäden, Hotel Kabic Beach unbeschadet
- Ti Moulllage: keine sichtbaren Schäden, Hotel L’Amitié unbeschadet
- Cayes Jacmel: keine großen Schäden, Kirchendach eingestürzt, Marktbetrieb wie immer, keine Aufregung oder Hamsterkäufe. Hotel „Peace of Mind“: zusammengestürzt, Hotel „Cyvadier Plage“: Haupthaus eingestürzt, Küche und Terrasse o.k., keine Menschen verletzt, Betrieb läuft weiter. Das Waisenhaus „FMCS“ der Haiti-Nothilfe hat kleine Schäden am Haus, eine Mauer ist im Hof eingestürzt, die Kinder sind jedoch wohlauf.
- Jacmel: Tankstelle am Ortseingang in Ordnung. Dort gab es Propangas zu normalen Preisen, zu normalen Preisen (aber mit langer Wartezeit) hätte man auch Diesel bekommen können. Auch Geldwechsel (US-Dollar zum üblichen Kurs 1:41,75) war möglich.
In Jacmel war demnach die Situation mehr oder weniger unter Kontrolle. ONG-Autos fuhren durch die Strassen, Helikopter verteilten Versorgungsgüter, am Flughafen wurden sie be- oder entladen. Auch einzelne Krankenwagen fuhren durch die Stadt. Insgesamt gab es keine Katastrophenstimmung, die Menschen schienen den Beobachtern besonnen, auch die Zerstörungen hielten sich im Vergleich zur Hauptstadt Port-au-Prince in Grenzen. Lediglich der Verkehr war durch die Rationierung von Benzin sichtlich eingeschränkt.
Monika Lange: „Sicher gab es Jacmel für Einzelne große Schäden und Verluste, es gab sicher auch Tote und Verletzte, die zu beklagen sind. Es braucht sicher auch finanzielle und fachliche Hilfe beim der akuten Versorgung und auch beim Wiederaufbau. Wichtig wäre es, entsprechende Bauvorschriften zu erlassen und deren Einhaltung zu überprüfen und zu kontrollieren. Es braucht unbedingt eine vernünftige Stadtplanung.“
Die Stromversorgung war zum Zeitpunkt des Besuches noch unterbrochen, die Banken hatten daher auch geschlossen. Die Sicherheitskräfte waren bereits im Einsatz und hatten einsturzgefährdete Häuser markiert, viele weitere noch ungeprüfte Häuser wiesen Risse auf. Auch viele Kirchen sind beschädigt, bei den meisten waren die Dächer eingestürzt.
Obwohl Christian und sein Begleiter auf der Fahrt von einem kanadischen UNO-Blauhelmsoldat gewarnt wurden, in Jacmel herrsche Gewalt und Chaos, konnten sie dies nicht bestätigen. Selbst am Lebensmittellager des Welternährungsprogramms waren keine Menschenmassen auszumachen. Nach Meinung der Entwicklungshelfer könne man zumindest von dort derzeit etwas positives berichten.
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