Fall Lennartz: Familie und Unterstützer von Anklage überrascht

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Datum: 12. April 2010
Uhrzeit: 18:18 Uhr
Leserecho: 4 Kommentare
Autor: Dietmar Lang
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Benedikt LennartzIm Fall des in Brasilien wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie angeklagten deutschen Priesters Benedikt Lennartz sind nach Angaben seiner Familie entlastende Beweismittel aufgetaucht. Wie der Vater des Geistlichen gegenüber latina press erklärte, liegt in der Kleinstadt Craíbas im Bundesstaat Alagoas mittlerweile ein beglaubigtes Schriftstück vor, in dem ein Jugendlicher eingesteht für die Verbreitung von Pornografie im Internet und die Sicherung von Bildern auf dem Computer im Wohnhaus des Pfarrers alleine verantwortlich zu sein. Die Staatsanwaltschaft in der Provinzhauptstadt Maceió konnte diese neuen Erkenntnisse jedoch nicht bestätigen.

Gegen den 41-jährigen Lennartz wird seit Mai 2009 im Rahmen der „Operation Turko“ der brasilianischen Bundespolizei ermittelt. Damals waren auf dem in Brasilien populären Internetnetzwerk Orkut pornografische Fotos von Jugendlichen aufgetaucht, die von anderen Mitgliedern im Kampf gegen Pädophilie gemeldet wurden. Darunter war auch ein Accounts eines laut Profilangaben 14-jährigen Jugendlichen mit der Email-Adresse „queroummoleke_ativo@hotmail.com“. Die IP-Adresse, von wo aus der Zugang erfolgte und auch kinder- und jugendpornografische Bilder hochgeladen wurden, konnte dann zum Wohnsitz in der Pfarrgemeinde des Geistlichen rund 160 Kilometer von der Küste enfernt im Hinterland von Alagoas zurückverfolgt werden. Der Suchmaschinenriese Google hatte als Betreiber der Plattform zuvor mit den Ermittlungsbehörden eine Übereinkunft bezüglich der Weitergabe sensibler Nutzungsdaten getroffen, sofern die Accounts für strafrechtlich relevante Inhalte verwendet wurden.

Webseiten mit Kinderpornos aufgerufen

Im Wohnhaus des Priesters, der bereits seit 19 Jahren in Brasilien lebt und arbeitet, wurde im Rahmen der Hausdurchsuchung ein Computer mit rund 1.300 pornografischen Bildern sichergestellt. Unter den Bildern soll sich auch kinderpornographisches Material befinden. In diesem Zusammenhang wurde zudem der Reisepass des Priesters eingezogen und ein Ausreiseverbot verhängt. „Eine Verhaftung erfolgte nicht, da das brasilianische Recht dies in einem solchen Fall nicht zulässt. Er verbleibt bis zu einer eventuellen Verurteilung, auch während des Prozesses, in Freiheit“ erklärte der Pressesprecher des Staatsministerium von Alagoas, Wladymir Lima, auf telefonische Anfrage.

Die Beweislage ist für die Staatsanwaltschaft weiterhin eindeutig. Lennartz habe von seinem Computer aus mindestens 10 Webseiten mit kinderpornographischen Material aufgesucht und bei einer der Seiten zudem einen kostenpflichtigen Account eröffnet und bezahlt. Nähere Angaben dazu wurden nicht veröffentlicht. Zudem sei die grosse Menge an Bildern, darunter explizite sexuelle Darstellungen von meist männlichen Jugendlichen, auf der Festplatte gefunden worden. Dies rechtfertige die in der vergangenen Woche offiziell erhobene Anklage. Bei einer Verurteilung drohen dem Priester vier Jahre Haft und eine Geldstrafe.

Benedikt Lennartz selbst hält sich derzeit bedeckt. Über seinen Vater liess er ausrichten, dass er von den Bildern keinerlei Kenntnis gehabt habe. Der verantwortliche Jugendliche habe eigenmächtig gehandelt und habe in dem „offenen Haus“ freien Zugang zum Internet gehabt. Der Junge sei zudem kaum überwacht worden. Dies könnte allerdings ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen für den Priester nach sich ziehen. Unklar ist zudem, wie der in der Anklage beschriebene „kostenpflichtige Account“ eröffnet und bezahlt worden ist.

Diözese in Brasilien schweigt sich aus

Die zuständige Diözese von Penedo, die nur zwei Tage vor der Anklageerhebung drei andere Priester der Region ebenfalls im Zusammenhang mit Pädophilie oder Kinderpornografie suspendiert hatte, verweigerte am Montag jegliche Aussage. Eine Stellungnahme von Bischof Dom Valério Brada zum jüngsten Vorfall steht weiterhin aus. Eine Mitarbeiterin verwies bei einem telefonischen Kontakt barsch auf den Anwalt der Diözese, konnte oder wollte jedoch dessen Namen nicht preisgeben. Bekannt ist bislang nur, dass Lennartz umgehend nach Bekanntwerden der Anklage vom Kirchendienst suspendiert wurde und angeblich kirchliche Einrichtungen nicht mehr betreten darf. Ob die Diözese jedoch bereits seit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens von den Verdächtigungen gewusst hat und den Priester weiter im Amt und dadurch auch weiterhin mit Jugendlichen arbeiten liess, darüber schweigen sich die Verantwortlichen derzeit aus.

In Deutschland zeigte man sich merklich überrascht von den Vorwürfen gegen den allgemein geschätzten „Padre Benedikt“. Viele Kirchen, Schulen und andere Organisationen unterstützen den Geistlichen bei seiner Arbeit in Brasilien. Lennartz initiierte und betreut verschiedene Sozialprojekte für hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche im Nordosten Brasiliens. Noch im September vergangenen Jahres wurden unter anderem von Schülern und Schülerinnen der 8. Klasse des St. Ursula Gymnasiums in Hannover Muffins gebacken und für die „Brasilienhilfe Padre Bene“ verkauft. Kenntnis über die bereits fast ein halbes Jahr zuvor erhobenen Vorwürfe gegen den Priester im fernen Brasilien hatte jedoch niemand. Schulleiter Wirth zeigte sich allerdings gegenüber latina press von Lennartz Unschuld überzeugt. Sein ehemaliger Schüler sei ein „moralisch integerer Mensch“, der seine Tat unumwunden zugeben würde, hätte er sie denn begangen.

Im Kindermissionswerk in Aachen, unter anderem zuständig für die Weiterleitung von Spenden sowie im Bistum Minden und bei der Kolpingfamilie Ankum erlangte man ebenfalls erst durch die jüngsten Medienberichte Kenntnis von den Vorwürfen. Selbst der Vater von Benedikt Lennartz ist nach eigenen Angaben erst nach der auf latina press erfolgten Berichterstattung über die Anklageerhebung von seinem Sohn informiert worden. Die Motive, warum Benedikt Lennartz enge Familienangehörige, Freunde und Unterstützer fast ein Jahr lang nicht über das Ermittlungsverfahren und das Ausreiseverbot unterrichtete, sind weiterhin unklar. Auch das nun nur wenige Tage nach Anklageerhebung angeblich ausgefertigte entlastende Geständnis eines Jugendlichen wirft weitere Fragen auf. Lennartz soll sich derzeit in Recife aufhalten und war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung von Spenden

In der Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco wartet zudem ein weiteres Ermittlungsverfahren auf ihn. Bereits seit April 2005 wird seitens der Staatsanwaltschaft in Recife geprüft, ob Lennartz zweckgebundene Spendengelder unterschlagen hat. Laut der zuständigen Staatsanwältin Rosa Maria Carvalheira soll der Geistliche mit den Geldern ein Grundstück mit Haus gekauft haben, welches er dann auf seinen Namen und nicht auf den der zuständigen Institution vor Ort eintragen liess. Mit einem Antrag, das Bankgeheimnis aufzuheben um die Konten von Benedikt Lennartz zu überprüfen, scheiterte das Staatsministerium jedoch im Jahr 2007 vor Gericht. Heute, rund 3 Jahre später, steht eine offizielle Erklärung des Verdächtigen zu den Vorwürfen weiterhin aus.

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Kommentarbereich

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  1. 1
    gardany

    Ein sehr merkwürdiges Vorgehen seitens des Verdächtigen. Dass selbst der Vater nichts von den Vorwürfen wusste- ist für mich absolut unglaubhaft. Der Fall scheint in Deutschland ja komplett tot geschwiegen worden zu sein. Ich dachte eigentlich, dass die katholische Kirche um Aufklärung bemüht sei. Ich hoffe dass latina-press den Fall weiter verfolgt und die neuen Untersuchungsergebnisse veröffentlicht. Dieser Fall muss restlos aufgeklärt werden.

  2. [..] Wie das Internetnachrichtenportal „latina press“ meldet, hat das brasilianische Ministério Público Federal [..]

  3. [..] Wie das Internetnachrichtenportal „latina press“ meldet, hat das brasilianische Ministério Público Federal [..]

  4. 4
    joerch

    Und wie immer: Schweigen im Walde……….

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