Umgeben von hohen Mauern und Zäunen, unter den aufmerksamen Augen der Wachen und der Überwachungskameras, ist der Innenhof des Gefängnisses von Coro öde und wenig einladend. Allerdings ist die Musik, die aus der Aula des Hauptgebäudes klingt ein Indiz dafür, dass nicht alles Böse ist in dieser Strafanstalt. Mehr als 300 Gefangene in der Haftanstalt von Coro, der Hauptstadt des venezolanischen Bundesstaates Falcón, studieren Instrumente wie Geige, Tuba, Bass und Saxophon. Eine weitere Gruppe hat die Studienrichtung Chorgesang gewählt.
Diese Aktivitäten sind mit Abstand das beliebteste Angebot, welches die Inhaftierten nutzen. Kurse wie Nähen, Basteln oder Schreinerei verzeichnen schwindende Besucherzahlen, mehr als die Hälfte der Insassen widmet sich der Musik. „Ich fühle mich so gut, wenn ich spiele. Diese Aktivität erfüllt mich mit Stolz“, so „Musiker“ Elisaul Salas, 23. „Die erste Geige ist eine große Verantwortung und zeigt, dass sie Vertrauen in mich haben“, fügt er hinzu.
Das Gefangenen-Orchester ist Teil des im Ausland viel bewunderten Systems der Musikerziehung in Venezuela. Mehr als 400.000 Kinder spielen ein Instrument und suchen damit einen Weg aus Armut und Gewalt. Dieses „Wunder“ hat schon viele Musikfreunde in den internationalen Konzertsälen sprachlos gemacht. Andere Gefängnisse des Landes leiden unter Überbelegung und Ausschreitungen. Die Idee für das das Programm in Coro stammt von Lenin Mora, Anwalt für Menschenrechte und ehemaliges Mitglied des nach dem südamerikanischen Freiheitskämpfer Simón Bolívar benannten Orchesters (Sinfónica de la Juventud Venezolana Simón Bolívar).
„Zuerst gab es Zweifel, da einige Instrumente als Waffen eingesetzt werden können. Die Saiten einer Violine könnten dazu benutzt werden, jemanden zu erdrosseln oder aufzuhängen. Allerdings wurden unsere Befürchtungen widerlegt. Die Insassen kümmern sich mit großer Liebe und Sorgfalt um die Instrumente, weil sie dafür die Verantwortung haben“, so Mora. Bevor die Häftlinge in das Orchester aufgenommen werden, müssen sie ein gutes Benehmen zeigen. Die Teilnehmer besuchen den Unterricht oder praktische Workshops für 8 Stunden am Tag, fünf Mal die Woche. An dem Projekt nehmen inzwischen sieben Gefängnisse teil, drei weitere sollen bis Ende des Jahres dazu kommen.
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