Am 8. August wurden die neun Angeklagten, die sich am Wochenende freiwillig der Militärpolizei gestellt hatten um damit einer Verhaftung zu entgehen, an das zuständige Gericht überstellt. Jetzt muss das Höchstgericht (Corte Suprema de Justicia) des Landes über die weitere Vorgangsweise entscheiden. Diesem liegt auch eine Erklärung des ehemaligen Richters Sidney Blanco vor, der sein Amt im Zuge des Prozesses gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Massaker an der UCA im Jahr 1991 niederlegen musste. Dieses Gerichtsverfahren, auf das sich die Verteidiger der nunmehr erneut Angeklagten berufen, wird vom spanischen Gericht als nicht legitim erachtet und daher nicht anerkannt. Blanco arbeitet seither als Anwalt für die Opfer.
Das Höchstgericht setzt seine Beratungen am 11. August fort. Es kann jetzt einen Richter bestimmen, der den von Spanien geforderten Prozess gegen die 20 Angeklagten leitet. Die Entscheidung über eine mögliche Auslieferung der Angeklagten liegt ebenfalls beim Höchstgericht. Nach allgemeiner Einschätzung ist mit einer solchen nicht zu rechnen, der Einfluss der ehemaligen Militärs und die Angst vor deren Drohungen ist offenbar noch immer groß, drohte doch Ex-General Maurcio Vargas unverhohlen mit einem Ende das Friedensprozesses in einem solchen Fall.
Wie heikel der Umgang mit der Vergangenheit und den Verbrechen der Kriegszeit weiterhin ist, wird aus den höchst unterschiedlichen Stellungnehmen der politischen Akteure deutlich. Der Unternehmerverband ANEP (Asociación Nacional de la Empresa Privada), das wirtschaftliche Rückgrat der rechts gerichteten ARENA, welche 1989 die Regierung stellte, befürchtet einen Rückschlag für den demokratischen Prozess, sollten die beschuldigten Ex-Militärs an Spanien ausgeliefert werden. ANEP beruft sich auf das Amnestiegesetz und erinnert an allfällige negative Konsequenzen auch für die FMLN, sollte “diese Seite der Geschichte” wieder aufgeschlagen werden. Das Höchstgericht wird aufgefordert, die nationale Souveränität zu respektieren, was im Klartext heißt, dass es einer Auslieferung der Angeklagten nicht zustimmen soll.
Die FMLN – ganz Regierungspartei – äußert sich vorsichtig. Einerseits bekennt sie sich zu den Zielen der Wahrheit, des Respekts der Menschenrechte und der Gerechtigkeit im Sinne der Opfer, die dem höheren Ziel der nationalen Versöhnung dienen. Im aktuellen Fall setzt die FMLN aus Respekt vor den Opfern auf “Klugheit und politische Verantwortung”. Keine Partei oder Gruppe solle dies zum Thema des Wahlkampfes machen. Die FMLN spricht den zuständigen Gremien ihr Vertrauen aus und weist alle parteipolitischen Stellungnahmen zurück, die wegen dieses Falles die Stabilität des Landes bedroht sehen.
Als wichtigste Oppositionspartei äußert ARENA ihr Befremden über die Einmischung des spanischen Richters in die nationale Souveränität des Landes und betont, dass dieses Verbrechen bereits untersucht und vor einem Gericht abgehandelt worden sei. Außerdem pocht auch ARENA auf das Amnestiegesetz als Basis für einen “starken und dauerhaften Frieden”. ARENA fordert von der Regierung und dem Außenministerium entsprechende Interventionen bei der spanischen Regierung, um die “Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten” eines anderen durch die spanische Justiz zu gewährleisten.
Benjamín Cuéllar, Direktor des Menschenrechtsinstituts der UCA (IDHUCA), zeigt sich in einem Interview mit der Zeitung La Pagina sehr skeptisch hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Er ist überzeugt, dass das Höchstgericht die Angeklagten nicht ausliefern werde und dass die freiwillige Stellung der neun Beschuldigten ein abgekartetes Spiel war, um den Ex-Militärs die Peinlichkeit einer öffentlichkeitswirksamen Verhaftung zu ersparen. In El Salvador sei im Rechtssystem weiter entscheidend, wer das Opfer und wer der Täter ist. “Wenn das Opfer jemand ist, der für sich für die Sache des Landes eingesetzt hat und die wie Monsenor Romero die Menschenrechte verteidigt hat, dann funktioniert die Justiz nicht oder sie funktioniert im Sinne der Täter.” Cuéllar spricht aus Erfahrung. Wiederholt verhinderte das Amnestiegesetz eine juristische Aufarbeitung der Verbrechen der Bürgerkriegszeit, weil Prozesse eingestellt wurden oder die Angeklagten frei gesprochen wurden.
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