In Brasilien blicken derzeit die Menschen mit gemischten Gefühlen in den Norden des riesigen Landes. Dort im Bundesstaat Pará streben die Bewohner abgelegener Gebiete seit Jahren nach regionaler Unabhängigkeit. Sie sind diesem Ziel inzwischen einen gewaltigen Schritt weitergekommen. Bereits im Dezember diesen Jahres muss die dortige Bevölkerung in einem Referendum über die Errichtung zwei neuer Bundestaaten der Föderativen Republik Brasilien entscheiden: Tapajós und Carajás!
Im vergangenen Mai wurden dafür die Weichen gestellt. Zunächst hatte der brasilianische Kongress die Volksabstimmung über die Abtrennung des zu gründenden Bundesstaates Carajás genehmigt, kurz darauf wurde ein identischer Urnengang auch für Tapajós abgesegnet. Der gewaltige Bundesstaat Pará mit seinen endlosen Regenwäldern würde durch die Dreiteilung auf 17 Prozent seiner bisherigen Fläche schrumpfen und nur noch eine kleine Region rund um die Hauptstadt Belém umfassen.
Weitaus grösser mit 58 Prozent der Fläche des derzeitigen Bundesstaates Pará wäre das den gesamten Westen umfassende Tapajós. In den 27 Gemeinden leben 1,7 der rund 7,6 Millionen Einwohner Parás. Zudem entstünde im Südosten der neue Bundesstaat Carajás mit 25 Prozent der derzeitigen Gesamtfläche und 1,4 Millionen Einwohnern in 39 Gemeinden. Mit den verbleibenden 4,5 Millionen Einwohnern wäre das „neue Pará“, welches als einer der drei Bundesstaaten einen Zugang zum Atlantik haben würde, mit der Metropolregion Belém nicht nur bevölkerungstechnisch sondern auch wirtschaftlich im Vorteil.
Denn nach Ansicht von Analysten ist die geforderte Unabhängigkeit zwar prinzipiell eine lobenswerte Sache, allerdings könne dies nur auf Kosten der Steuerzahler in Brasilien ermöglicht werden. Vergleicht man die Wirtschaftsdaten der Regionen und rechnet die zukünftig erforderlichen Verwaltungskosten dagegen, so schreiben die Wunsch-Bundesstaaten bereits jetzt tiefrote Zahlen. Das gesamte Pará hatte beispielsweise im Jahr 2008 ein Bruttoinlandsprodukt von 58,52 Milliarden Reais (ca. 25 Mrd. Euro), wovon 16 Prozent für öffentliche Ausgaben aufgewendet wurden. Das ist bereits mehr als im Landesdurchschnitt, wo der Index bei 12,72 Prozent liegt.
Tapajós müsste allerdings 51 Prozent seines BIP für die öffentliche Hand bereitstellen, bei Carajás wären es 23 Prozent. Da dies natürlich durch Steuereinnahmen nicht zu realisieren ist, sind die neuen Bundesstaaten auf Beihilfen aus Brasília angewiesen. Erste Schätzungen aus den vorliegenden Daten ergaben, dass die Staatskasse für beide Bundesstaaten daher jährlich etwas mehr als 2 Milliarden Reais (ca. 890 Mio. Euro) zuschiessen müsste.
Hinzu kommen die Kosten für die Errichtung der neuen Bundesstaaten wie die notwendige Infrastruktur und zahlreiche neue Verwaltungsgebäude für die einzelnen Ministerien und Regionalparlamente. Auch wenn sie am Ende nicht die Bundesstaaten mit der niedrigsten Einwohnerzahl sind – in Roraima, Amapá und Acre leben deutlich weniger Menschen – dürften Tapajós und Carajás trotzdem auf lange Sicht die Bundesstaaten des „offenen Mundes“ werden, wie man ein Nehmerland in Brasilien gerne bezeichnet.
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