Doch all diese Argumente konnten die Politik nicht davon abhalten, die geforderten Plebiszite abzulehnen. Nun dürften sie lediglich den Gegnern einer Aufteilung in dem ab September beginnenden Wahlkampf dienlich sein, wenngleich ihnen schon von oberster regionaler Stelle der Gegenwind ins Gesicht bläst. Denn der Sozialdemokrat Simão Jatene der amtierende Gouverneur von Pará hat gegen eine Abspaltung derzeit keine Einwände. Ganz diplomatisch hatte er zuletzt zwar betont, dass sich alle „ganz genau im Klaren sein sollten, welche Konsequenzen eine Abspaltung mit sich bringt“. Für seinen verbliebenen kleineren Bundesstaat sind diese dabei jedoch mehr als vorteilhaft, wiegen die derzeit generierten Einnahmen in den dortigen Städten und Gemeinden die notwendigen Ausgaben lange nicht auf. Die meisten Steuereinnahmen werden eben nicht im dichten Regenwald des Amazonas sondern in der Industrieregion rund um die Hauptstadt Belém generiert. Und die bleiben auch in Zukunft Teil des Bundesstaates Pará.
Auch Umweltpolitisch dürfte sich Jatene dann die Hände reiben, steht sein Bundesstaat doch regelmäßig in der Kritik aufgrund der anhaltenden Zerstörung der ausgedehnten Dschungelgebiete. Der gewaltigen Aufgabe des Naturschutzes hat dann vor allem sein Amtskollege in Santarém, der designierten Hauptstadt von Tapajós, zu bewältigen.
Natürlich wird man auch in Marabá, der möglichen Hauptstadt von Carajás, mit illegalem Raubbau an der Natur zu kämpfen haben. Den Herausforderungen steht man noch kämpferisch gegenüber. Denn die möglichen neuen Mitglieder der brasilianischen Union begründen ihren Willen zur Unabhängigkeit derzeit vor allem durch die seit Jahren fehlende Unterstützung entlegener Gebiete. Öffentliche Mittel kämen aufgrund der weiten Entfernung zur Hauptstadt Belém so gut wie gar nicht an, zudem sei ein so großer Bundesstaat wie Pará aus sozial-ökonomischer Sicht völlig unsinnig. Ein eigenständiger Bundesstaat könne hier viel besser die gewünschte nachhaltige Entwicklung vorantreiben, die Ressourcen besser schützen und dadurch sogar noch jede Menge Arbeitsplätze für die dort lebenden Menschen schaffen.
Letztendlich dürften zum Schluss alle drei Bundesstaaten mit einem positiven Ergebnis des Referendums zufrieden sein. Für das verkleinerte Pará sinken die Kosten überproportional zu den ausbleibenden Einnahmen, die Neulinge in der Union freuen sich auf Millionenzuschüsse aus Brasília zum Aufbau ihrer eigenen territorialen Entwicklung. Nur das restliche Brasilien wird kritisch in den Norden blicken, wenn am 11. Dezember 2011 sämtliche Einwohner Parás an die elektronischen Wahlurnen gerufen werden.
Dann haben die der Wahlpflicht unterliegenden Wählerinnen und Wähler zwei wichtige Fragen zu beantworten, deren Reihenfolge von der obersten brasilianische Wahlbehörde TSE erst vor wenigen Tagen ausgelost wurde. Die eigene Meinung auf „Sind Sie für eine Aufteilung des Bundesstaates Pará zur Gründung des Bundesstaates Tapajós?“ ist genauso wie danach „Sind Sie für eine Aufteilung des Bundesstaates Pará zur Gründung des Bundesstaates Carajás?“ mit den Zahlen 77 für „Ja“ und 55 für „Nein“ in die Geräte einzutippen.
Überwacht wird der Urnengang von 8 bis 17 Uhr unter anderem von der brasilianischen Armee. Das TSE hat bereits einem Antrag der regionalen Wahlbehörde von Pará stattgegeben, um in Hinblick auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit die Streitkräfte in mindestens 14 Munizipen der Region einzusetzen. Die Soldaten und Bundespolizisten sind auch dafür verantwortlich, die Wahlurnen mit Booten und Hubschraubern in die teilweise extrem abgelegenen und dünn besiedelten Regionen zu bringen.
Wann jedoch tatsächlich sämtliche Landkarten, Schulbücher, Datenbanken, Formulare oder Plätze mit den Flaggen der Bundesstaaten abgeändert und erweitert werden müssen und die neuen Mitglieder in der Föderativen Republik Brasilien begrüßt werden, ist bislang völlig unklar. In Brasília will man erst einmal das Ergebnis der umstrittenen Volksabstimmung abwarten.
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