Kuba: Die Hände im Erdreich► Seite 3

Cidra Klein

Datum: 17. August 2011
Uhrzeit: 09:57 Uhr
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Es war da. Es sah anders aus als von mir erdacht, aber es war da. Die Felder und Gärten zwischen den einzelnen Häusern sind verwildert, tiefgrün und vibrieren vor Leben. Es war ein komisches Gefühl. Ich fühle mich den Personen des Romans emotionell noch so nahe, dass ich hier, an den Orten ihres Wirkens meine, Schatten ihrer Existenz zu sehen. Der Radfahrer von Micayito, den ich als Vorbild für Franco Garcia Lopez nahm, lebt im Bezirk Cotorro in der Provinz Havanna. Ich wusste, dass ich sie und ihre Schicksale erfunden hatte, und trotzdem war ich ihnen hier nahe, so nahe, als ob ich Zeuge ihrer Geschichten geworden wäre, mit meinen Händen tief im Erdreich, in dem ihr Leben wurzelt.

Fiktion und Wahrheit wechselten in dieser Stunde die Plätze und ich war fest davon überzeugt, dass es Franco Garcia Lopez gibt, dass es seinen Bruder Alessandro gibt, und den traurigen Russen in Tarara. Ich bin davon überzeugt, dass ein guter Schriftsteller auch immer ein guter Begleiter der von ihm erdachten menschen ist, und dass er nicht nur so wahrhaftig wie möglich berichtet, sondern auch Anteil hat an ihren Schicksalen und davon berührt wird. Wenn man dies in Einklang bringt, dann kann man auch die Geschichte des Landes verstehen, die Geschichte seiner Menschen, des ganzen Volkes und seines Schicksals. Diese Art zu Begreifen beruht nicht auf historischen Erkenntnissen sondern auf emotionaler Nähe.

Die letzten fünfzig Jahre der kubanischen Geschichte sind in die Erde gerammt und werden mit Großbuchstaben postuliert, man könnte sagen, die einzige zulässige Werbung auf Kuba kommt von jenen, die Werbung auf Kuba nicht zulassen. Es sind unterschiedlich rabiat verfasste Durchhalteparolen, beinahe kindisch groß verfasste Rechthabereien und dahinter steckt das verbohrte Kalkül, mit dieser Sprache und Schriftgröße ein zur Naivität verdammtes Volk zu erreichen.

Als ich durch Cidra den gleichen Weg zurück ging, den ich zuvor genommen hatte, wurde mir bewusst, dass nicht nur ich, wenn ich einen Roman schreibe, meine Hände tief im Erdreich der Schicksale der Menschen habe, die ich beschreibe, sondern auch die kubanische Regierung, in dem sie ihre Sichtbarkeit auf Großbuchstaben und Polizeipräsenz konzentriert. Das ist wenig. Aber es ist, was es ist: tief verwurzelt in der Geschichte Kubas: Machismo, Blut und Boden, Propaganda und Kontrolle. Auch sie haben ihre Hände in der regensatten Erde.

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Peter Nathschläger, geb. 1965 in Wien, entdeckte früh seine Vorliebe für Reisen & Literatur. Parallel zu seinen Romanen, Kurzgeschichten und Gedichten widmet er sich nun verstärkt Reiseberichten mit Schwerpunkt Kuba, ganz im Sinne einer literarischen Spurensuche.

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