In einem offenen Brief an den ecuadorianischen Staatspräsidenten Rafael Correa hat Reporter ohne Grenzen (ROG) seine Besorgnis über die zunehmenden Repressionen gegen Medien in dem südamerikanischen Land ausgedrückt. ROG sieht in der feindlichen Haltung des Präsidenten und dessen konfrontativen Kurs insbesondere gegenüber privaten Zeitungen und Rundfunksendern eine wachsende Gefahr für die Medienvielfalt und eine Ursache für die Ausbreitung von Selbstzensur.
„Sie können nicht weiter darauf hoffen, eine pluralistische Gesellschaftsordnung in ihrem Land zu errichten und für einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Medientypen werben, während Sie weiter in einer solch extremen und kompromisslosen Weise auf geringste Kritik der Presse reagieren“, schreibt ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard in dem am 6. September 2011 veröffentlichten Brief.
ROG beklagt unter anderem die juristische Verfolgung von regierungskritischen und oppositionellen Journalisten und Medien. Die Handhabe dazu erhält die Regierung durch ein repressives Pressegesetz. ROG appelliert an den ecuadorianischen Präsidenten, sich für Meinungsvielfalt und -freiheit zu entscheiden. Correa stehe vor der Wahl, die von ihm angekündigte „Bürgerrevolution“ umzusetzen oder einen „Krieg gegen die Medien“ zu führen, so Julliard weiter.
Urteil gegen „El Universo“: Höhepunkt juristischer Schikanen gegen Medien
Die steigenden Spannungen zwischen der Regierung und privaten Medien gipfelten vor einigen Monaten in der juristischen Verfolgung der Tageszeitung „El Universo“. Im März dieses Jahres reichte Correa eine Verleumdungsklage gegen die Tageszeitung „El Universo“ und deren Kolumnisten Emilio Palacio ein. Hintergrund der Klage auf 80 Millionen Dollar Bußgeld war ein im Februar veröffentlichter Kommentar von Palacio, in dem der Journalist den Staatschef als „Diktator“ bezeichnete und ihm „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorwarf.
Palacio bezog sich dabei auf Ereignisse um eine mehrstündige Geiselnahme Correas am 30. September 2010 durch meuternde Polizisten. Soldaten konnten den Staatschef schließlich nach einem Feuergefecht, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, befreien. Correa warf der Opposition anschließend einen Umsturzversuch vor. Im Juli 2011 gab ein Gericht in der Küstenstadt Guayaquil im Westen des Landes dem Präsidenten Recht: Die Richter verurteilten „El Universo“ zu 40 Millionen Dollar Strafe und Palacio sowie drei Direktionsmitglieder des Blattes zu drei Jahren Gefängnis.
ROG hatte die Strafen mehrfach als unverhältnismäßig und als einen gefährlichen Präzedenzfall kritisiert. Selbst aggressive oder empörende Berichte würden in keiner Weise Gefängnisstrafen und überhöhte Geldbußen rechtfertigen.
In seinem aktuellen Brief appelliert ROG-Chef Julliard an den Präsidenten, die Ereignisse des 30. Septembers 2010 nicht zum Anlass einer „systematischen feindlichen Haltung“ gegenüber den Medien zu nehmen.
Ein reformbedürftiges Mediengesetz
In diesem Zusammenhang plädiert ROG für eine dringende Überarbeitung der Vorlage für das neue ecuadorianische Mediengesetz: Delikte wie „Diffamierung“ und „Beleidigung“ – nach der aktuellen Fassung als Straftaten geahndet – müssten entkriminalisiert werden. Andernfalls drohe ein weiterer Missbrauch der Regelungen, um unliebsame Medien mundtot zu machen.
Propaganda und verbale Angriffe gegen Medien
Schließlich appelliert ROG für eine Regulierung der regelmäßigen Botschaften der Regierung im Rundfunk (“cadenas”). Die Zahl dieser Beiträge sei unverhältnismäßig gestiegen und verhindere eine politisch ausgewogene Berichterstattung der Medien. Ein wachsender staatlicher Rundfunksektor, der in keinem ausgewogenen Verhältnis zu privaten und kommunalen Bürgermedien steht, verstärkt dieses Problem. Correa nutzt die staatlichen Medien auch, um kritische Journalisten verbal zu attackieren. Damit schürt er ein feindliches Klima für Medien.
Unfaire Verteilung von Sendelizenzen
ROG bemängelt außerdem die willkürliche Verteilung von Rundfunklizenzen durch die „Consejo Nacional de Telecomunicaciones” (Conatel) (“Nationale Kommission für Telekommunikation”). Das Verteilungssystem der Frequenzen müsse reformiert werden, um Fairness und Transparenz herzustellen. Zuletzt sei am 8. August 2011 dem regionalen Fernsehkanal “Telesangay” mit unzureichender Begründung die Lizenz entzogen worden.
Venezuela und Papa Chavez lassen grüßen!!!!!!