Gelegentlich erlaube ich mir den Spass, einen Venezolaner ohne jede Provokation, zu fragen, warum er denn so stolz auf die Befreiung von den Spaniern und die daraus resultierende Unabhängigkeit ist? Keiner begreift den Sinn meiner Frage. Bis ich vor seinem geistigen Augen ein Bild zeichne, das ihm schmerzlich das Gesicht verzerrt und ein sehnsüchtiges Stöhnen entlockt. Dann wird die Vorstellung zugunsten der bitteren Realität schnell wieder verdrängt, bevor ihm die Tränen kommen.
Zweihundert Jahre liegt sie nun zurück, die Schlacht von Carabobo, die endgültige Niederlage der Spanier gegen das von Simon Bolivar angeführte Heer. Kurz darauf war Venezuela eine freie, unabhängige Nation. Ein Grund zum Feiern? – Sicher! Freiheit und Unabhängigkeit sind ein hohes Gut. Konsequente Ausbeutung durch eine Kolonialmacht ist eine besondere Form der Sklaverei, unvereinbar mit den Menschenrechten.
Aber was haben Freiheit und Unabhängigkeit Venezuela und seinen Einwohnern denn nun konkret gebracht, ausser einer eigenen Flagge und Hymne? Die früheren Ureinwohnern haben ihre Souveränität nicht zurück erhalten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einer von ihnen nun Präsident ist. Das von den Spaniern hinterlassene mittelalterliche Feudalsystem, basierend auf Leibeigenschaft, Korruption und Unterdrückung der Menschenrechte, ist strukturell und in den Köpfen vieler noch immer intakt. Das an Bodenschätzen reichste Land der Erde liegt am Boden. Armut, Verelendung, Kriminalität und Inflation wachsen in beispielloser Geschwindigkeit, dank der aktuellen Regierung. Aber auch deren Vorgänger haben es nicht geschafft, trotz idealer Vorraussetzungen, Land und Volk zu Lebensbedingungen zu verhelfen, die für die vielen Millionen zum Großteil aus Europa stammenden Venezolaner eine Selbstverständlichkeit sein sollte und könnte.
Venezuelas Vergangenheit und Gegenwart ist hinlänglich bekannt und dokumentiert. Wer aber, ausser mir, hat sich jemals die Frage gestellt, was wäre gewesen wenn…? Was wäre wenn Bolivar’s Streitmacht nicht auf dem Feld von Carabobo erschienen wäre oder die Schlacht verloren hätte? Wenn die Spanier das Land als Kolonie behalten hätten, bis zu heutigen Tag?
Für die Armen, das kann man sich leicht vergegenwärtigen, hätte sich für lange Zeit gar nichts geändert. Die Reichen, die Herren des Landes, würden sich noch immer „Spanier“ nennen, anstatt „Venezolaner“. Aber die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich über lange Zeit kaum anders entwickelt, nicht viel besser und ganz bestimmt nicht viel schlechter. Der Erste Weltkrieg hätte daran auch nichts geändert. Erst in der Folge kamen zwei Ereignisse, die es näher zu beleuchten gilt.
He Martin Bauer, das war der beste Bericht den ich je hier las. Gute Fiktion. Leider nur Träume. Alles gute für sie und die Ihren.
Dem kann ich nur zustimmen.