„Vergiss nie, dass du Nicaraguaner bist“, oder stand auf dem Papier „was macht ein Nicaraguaner j e t z t in Brasilien“? Ganz genau erinnert sich Carlos González nicht mehr, denn das Stück Papier ist ihm verloren gegangen, irgendwo auf den abenteuerlichen Wegen zurück nach Hause von Río über Mexiko.
Aber wann es geschrieben wurde, das wird er wohl nie vergessen – nach einem Konzert mit der großartigen Mercedes Sossa, bei der die nicaraguanischen Studenten in der ersten Reihe und später mit ‚La Negra‘ an einem Tisch saßen. Carlos bat sie, etwas für ihn zu schreiben, und weil niemand einen Zettel hatte, nahm die Sängerin eine Serviette, wischte sich damit etwas Schminke aus dem Gesicht und schrieb eben jene Worte, von denen Carlos nicht mehr weiß, ob es die einen oder die anderen waren. Was letztlich keine Rolle spielt, denn gemeint war das gleiche: in Nicaragua führten die Contras Krieg gegen die Sandinisten, und in Brasilien hockten ein paar Studenten und versicherten die Revolution zu Hause ihrer intellektuellen Unterstützung. Immer, wenn Carlos diese Geschichte erzählt, wird er ernst und nachdenklich.
Bei einem Architektur-Wettbewerb, den die brasilianische Botschaft in Managua ausgeschrieben hatte, gewann der gerade 16jährige Nicaraguaner ein Stipendium in Río. Es war die Zeit der Sandinisten-Guerilla gegen Somozas Diktatur. Carlos lebte in der Welt der Künste, zumal Granada von den aktuellen Bewegungen im Lande, wie auch später vom Contra-Krieg, auf wundersame Weise verschont blieb. Schon als Kind faszinierten ihn Malerei, Fotografie und Architektur. Sein Vater war Fotograf, und ein Onkel porträtierte die Stadt in filigranen Zeichnungen, die auf Carlos eine magische Wirkung ausübten.
Bald ging er bei Pedro Varga, einem bekannten Kunstprofessor, in die Lehre, und schließlich gelang ihm 1977 der Sprung nach Brasilien. Carlos sympathisierte mit den Sandinisten, während sich seine Eltern vor ihnen in die USA geflüchtet hatten. Mit anderen Studenten aus Nicaragua gründete er ein Solidaritätskomitee und war politisch aktiv, bis er 1986 Brasilien verließ. Dennoch kehrte er nicht nach Nicaragua zurück, sondern machte Halt in Mexiko, wo Verwandte lebten, die – im Gegensatz zu seinen Eltern – vor Somoza geflohen waren. Dort blieb er zwei Jahre, arbeitete als Architekt, lernte auf seltsamen Wegen den damaligen Präsidenten Miguel de la Madrid kennen und genoss ein aufregendes Leben unter Intellektuellen aus ganz Lateinamerika und den Staaten.
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