Der deutsche Bundesaußenminister Guido Westerwelle befindet sich auf einer achttägigen Reise durch Lateinamerika, die ihn nach seinem Besuch in Brasilien auch nach Peru und Mexiko führen wird. Der Minister setzt dabei besonders auf Brasilien, welches für ihn „das entscheidende Kraftzentrum der Region“ ist. In einem neuen Konzept skizzierte die Bundesregierung wie sie künftig mit der neunen Gestaltungsmacht zusammenarbeiten und die Globalisierung erfolgreich gestalten will. Das Konzept wurde am 8. Februar vom Bundeskabinett angenommen und danach im Auswärtigen Amt der Öffentlichkeit vorgestellt und mit Experten diskutiert.
Westerwelle macht keinen Hehl daraus, dass für ihn die größte Volkswirtschaft in Lateinamerika „Partner ersten Ranges“ ist. Die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt hat im zurückliegenden Jahr Großbritannien überholt und durch die weltweite Finanzkrise höchstens eine leichte Delle erlitten. „Die Erfolgsgeschichte Brasiliens im letzten Jahrzehnt ist atemberaubend“, wird der Minister nicht müde, seine Begeisterung kundzutun.
Natürlich soll der Besuch des Bundesaußenministers auch der deutschen Wirtschaft Türen und Tore öffnen. „Diplomatie und Wirtschaftsinteressen gehören eng zusammen“, betonte Westerwelle. Die Wirtschaftsbeziehungen sind in den letzten Jahren noch enger geworden. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Brasiliens in Europa und der viertwichtigste brasilianische Handelspartner in der Welt. Im Jahr 2011 erreichte das bilaterale Handelsvolumen den Rekordwert von 24,25 Milliarden US$, das entspricht einem Zuwachs von 17,2% gegenüber 2010. Im vergangenen Jahr stiegen die brasilianischen Ausfuhren nach Deutschland gegenüber dem Vorjahr um 11,1% und übertrafen die Marke von 9 Milliarden Dollar. Beide Länder sind bestrebt, die Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern, um die angewandte Industrieforschung zu stärken. In Brasilien sind mehr als 1.200 deutsche Unternehmen tätig. Schätzungen zufolge erwirtschaften diese Unternehmen zwischen 8% und 10% des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts.
Brasilien, das fast 24mal so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland, strotzt vor Selbstbewusstsein. Anders als im Nachbarland Venezuela, wo der Verstaatlichungswahn eines sich seit 13 Jahren an die Macht klammernden Präsidenten den Bürgern Jahr für Jahr höchstens Rekordquoten bezüglich der Inflation präsentiert, wird Erfolgsgeschichte geschrieben. Zudem ist das Land Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016.
Diese Mega-Ereignisse könnten der deutschen Wirtschaft Aufträge im Wert von rund fünf Milliarden Euro bringen. Brasilien hat zahlreiche Aufträge für den Bau von Sportstätten, Verbesserung der Sicherheit, sowie den Ausbau von Transport- und Tourismusinfrastruktur zu vergeben. Bis 2014 sollen rund eine Billion Dollar in die Infrastruktur des Riesenlandes am Amazona fließen. Neue Straßen, Bahnverbindungen, Hafenanlagen und Ausbau der Flughäfen sollen den Personen- und Güterverkehr fit für die beiden Großereignisse machen.
So etwas wie in den Neunzigerjahren, als die Deutschen bei den damaligen großen Privatisierungen in Brasilien anderen Europäern den Vortritt ließen, soll sich nicht wiederholen. Die deutsche Außenwirtschaft verfügt in Brasilien über drei deutsch-brasilianische Industrie- und Handelskammern mit Sitz in São Paulo, Rio de Janeiro und Porto Alegre sowie über einen Korrespondenten der Germany Trade and Invest (gtai) in São Paulo. Auch unter dem Aspekt dieser verlockenden Aussichten für deutsche Unternehmen dürfte es dem Besucher aus dem fernen Europa nicht schwer fallen, die „neue Gestaltungsmacht“ in den höchsten Tönen zu loben.
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