Die europäische Delegation hat ihre Teilnahme an der Konferenz ja auch abgesagt…
Das war die Delegation des europäischen Parlaments, und ich finde die Begründung, die sie dafür genutzt haben, fast ein bisschen lächerlich: dass die Hotelpreise zu hoch sind. Wir haben unsere Ferienwohnung schon vor einem halben Jahr gemietet und hatten da noch ein bisschen Glück und es ist natürlich so, dass die Hotelpreise lächerlich hoch sind. Aber wenn man sich zum Beispiel einfach anschaut, wieviel das europäische Parlament jährlich dafür ausgibt, um zwischen Straßburg und Brüssel zu pendeln. Wieviele Millionen dafür draufgehen. Dann finde ich es eine ziemlich schwache Ausrede, zu sagen, die Hotelzimmer sind zu teuer und deswegen fahren wir nicht nach Rio. Man muss aber auch sagen: es wäre das europäische Parlament, und das ist keine Regierung. Sie wären in den Verhandlungen im Prinzip auch nur Zuschauer und würden keine tatsächliche Verhandlungsrolle führen, deswegen darf man das auch nicht zu hoch hängen. Die europäische Kommission, die ja die EU-Positionen auch koordiniert, die ist natürlich dabei, auch der EU-Kommissionspräsident Barroso hat seine Teilnahme schon zugesagt. Deswegen würde ich das nicht zu hoch hängen, aber es ist natürlich eine weitere Absage in einer ganzen Reihe.
Glauben Sie, dass die Ergebnisse von Rio+20 ähnlich maßgebend sein werden wie die vom Erdgipfel 92?
Ich glaube, dass vom Erdgipfel vor 20 Jahren heute ein falscher Eindruck entsteht. Ich denke, dass der Erdgipfel damals mit Sicherheit wegweisende Entschlüsse gebracht hat. Man darf aber das, was damals passiert ist, nicht glorifizieren. Man darf die ganzen Diskussionen, die ganzen Streitigkeiten von damals nicht einfach vergessen. Als es diesen großen Streit zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern gab. Das sind im Prinzip Probleme, die bis heute nicht gelöst sind. Die Entwicklungsländer fordern bis heute, dass sie sich erst einmal um wirtschaftliche Entwicklung bemühen und der Umweltschutz quasi ein Luxusproblem sei. Und dass die Industrieländer dies einfach anders sehen. Das ist ein Problem, das bis heute ungelöst ist. Wir kriegen bei Rio+20 keine Konzessionen, wie sie vor 20 Jahren verabschiedet wurden, als unter anderem die Klimarahmenkonvention verabschiedet wurde. Es ist aber vielleicht ein ganz anderes Klima, unter dem Rio+20 jetzt stattfindet. Vor 20 Jahren war die Mauer gerade gefallen, es gab insgesamt eine Aufbruchstimmung. Diese haben wir momentan nicht, es ist eher eine Depression, in der sich viele Regierungen auch überlegen: „Was bringt das eigentlich, sich international einzusetzen?“ Ich glaube nicht, das Rio+20 so große oder so wegweisende Beschlüsse fassen wird wie vor 20 Jahren. Und vor 10 Jahren in Johannesburg waren die Ergebnisse eher mau. Ich bin daher ganz optimistisch, dass wir mehr kriegen als vor 10 Jahren in Johannesburg. Es wird vielleicht irgendwo in der Mitte liegen. Aber viele Streitfragen sind noch offen, viele Kernpunkte noch nicht ausdiskutiert oder es wurde noch keine Einigung erzielt. Deswegen wird sich das noch zeigen, ob Rio ein Erfolg wird oder nicht.
Eine abschliessende Frage: Wie wird die Zukunft unserer Kinder aussehen, wenn wir jetzt über Nachhaltigkeit reden und entscheiden?
Vielleicht will ich ja irgendwann auch mal Kinder. Und da mache ich mir eigentlich schon Sorgen. Man kann natürlich immer sagen: man sieht das optimistisch und sagt, es hat sich in den letzten zwanzig Jahren viel getan. Aber eigentlich zeigen ja alle Indikatoren eher nach unten. Wir haben es bisher nicht geschafft, den Klimawandel aufzuhalten. Wir haben es bisher nicht geschafft, den Verlust an biologischer Vielfalt aufzuhalten, die Wälder gehen weiter zurück, die Luft wird immer weiter verschmutzt, immer mehr Leute erkranken tatsächlich aufgrund dieser Umweltverschmutzung. Es sind viele elementare Probleme nicht gelöst. Auch das Gerechtigkeitsproblem ist aktuell wie noch nie. Und vor allem in reichen Ländern wie in Deutschland wird die Gerechtigkeitsdebatte in den nächsten Jahren nochmals an Fahrt gewinnen, weil die Schere zwischen arm und reich immer größer wird und man es bisher nicht geschafft hat, dies aufzuhalten. Da mache ich mir schon Sorgen. Ich verliere natürlich nicht den Optimismus, dass es irgendwann geschafft wird, das Ruder rumzureißen. Aber damit komme ich auch zu dem, was ich früher schon gesagt habe. Wenn man wirklich eine nachhaltige Entwicklung erreichen will und das die Erde in einem Zustand gehalten wird, dass unsere Enkel und Ur-Enkel auch noch gut darauf leben können und nicht nur mit den Dingen irgendwie umgehen müssen, die wir kaputt gemacht haben: es gibt noch viel zu tun.
Das Interview führte IAP-Reporterin Sarah Hommel
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