Die Jugend bei Rio+20: „Wir können nicht die Weltpolitik verändern!“► Seite 4

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Datum: 12. Juni 2012
Uhrzeit: 19:10 Uhr
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Autor: Sarah Hommel
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► Exklusiv-Interview mit dem Jugenddelegierten der Bundesregierung

Manchmal wird der Eindruck erweckt, dass durch diese Institutionendiskussion die eigentlich wichtigen Entscheidungen auf die lange Bank geschoben werde…
Ich würde eher sagen: auch im Bereich der Institutionenfragen werden wichtige Entscheidungen auf die lange Bank geschoben. Auch dort könnte man jetzt bei Rio wesentlich mehr erreichen als das, was zur Zeit auf der Tagesordnung steht. Also zum Beispiel die sogenannten „Bretton Woods Institutionen“. Das sind die weltweiten Finanzinstrumente: Weltwährungsfonds und Weltbank und was es da alles gibt. Die sind überhaupt nicht Bestandteil der Diskussion. Das sind aber internationale Organisationen, die zu einem ganz großen Teil dazu beitragen, dass nicht nachhaltig gewirtschaftet wird. Die finanzieren braune Ökonomie, die finanzieren Ölbohrungen und den ganzen Blödsinn, der in der Welt passiert. Da sind diese Finanzinstitutionen wesentlich daran beteiligt. Und warum sind die nicht Bestandteil der Diskussion von Rio+20? Wie kann man die Finanzmechanismen, die man hat, so umbauen, dass nachhaltige Entwicklung und nicht irgendeine Entwicklung finanziert wird? Es gibt also ganz viele Dinge, die man auch im Bereich der Institutionen diskutieren müsste. Ich sehe zwar, dass ganz viel über die Nachhaltigkeitsziele diskutiert wird. Das ist eine Superidee, über globale Nachhaltigkeitsziele oder auch die Umsetzung der „Green Economy“ zu diskutieren. Dies ist unglaublich wichtig, vor allem in Hinblick auf die sozialen Fragen. Aber es braucht auch schlagkräftige Institutionen, die globalen Umweltschutz durchsetzen. Und dafür muss man sich mit diesen ganzen komplexen Systemen auseinandersetzen. Da kommt man einfach nicht drum herum.

Sie haben sich auch spezielle Schwerpunktthemen gesetzt: Bildung, Arbeitslosigkeit und nachhaltige Arbeitsplätze. Inwieweit konnten Sie diese im Vorfeld der Konferenz einbringen und sind Sie damit auf Interesse gestoßen?
Das ist etwas, was Lena Mäckelburg (andere deutsche Jugenddelegierte, Anm.d.Red.) hauptsächlich macht, wir haben uns da inhaltlich aufgeteilt, einfach weil es schwierig ist, diese gesamte Bandbreite der Diskussion zu verfolgen. Ich habe aber von Lena gehört, dass derzeit viele gute Ideen von der deutschen Regierung kommen. Das mag man der deutschen Regierung gar nicht zutrauen. Und dann ist da noch die EU, die als Block verhandelt, die ebenfalls ganz gute Ideen mitbringt. Es ist aber weiterhin die Frage, wie man zum Beispiel nonformale Bildung entsprechend berücksichtigt und mit welcher Ambition man in solchen Verhandlungen rangeht. Das ist etwas, was uns tatsächlich ein bisschen stört. Es gibt vielleicht ganz gute Positionen, was die Leute und Regierungen hier nach Rio mit herunterbringen. Aber man muss sich immer nochmal fragen: wie ambitioniert vertritt man das dann eigentlich? Und wenn es zum Beispiel eine Regierungschefin nicht notwendig hält, hier herunterzufahren, dann muss man sich natürlich schon fragen: wie hoch steht eigentlich Rio+20 in der Prioriätenliste? Und da kann die Position die beste sein, wenn man sie nicht ambitioniert vertritt.

Hat Angela Merkel mit ihrer Absage gezeigt, dass nachhaltige Entwicklung in Deutschland nicht mehr oberste Priorität genießt?
Wir werden ganz oft gefragt, warum Angela Merkel nicht nach Rio kommt. Wir wissen keine Antwort. Wir wissen sie weder offiziell, noch inoffiziell. Wir können da auch nur raten. Eine Theorie ist, dass sie immer noch ein Trauma vom gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen hat. Sie hat sich dort persönlich sehr eingesetzt und dann eine Schlappe erlitten. Was ihre Beweggründe sind, nicht nach Rio zu kommen, wissen wir nicht. Zumal sie ja in der Gegend ist: sie ist bis zum 19. Juni in Mexiko beim G20-Gipfel. Das bedeutet, es wäre im Prinzip ein Leichtes, hier herüberzukommen. Aber sie hat sich wohl dagegen entschieden. Wir haben die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sie sich noch anders entscheidet, so etwas soll ja manchmal vorkommen. Aber was ihre Beweggründe sind, wissen wir nicht. Vielleicht wenn Deutschland im Viertelfinale spielt, wenn sie dann auf Tribüne sitzt, dann wissen wir, was ihre Motivation ist. Aber wie gesagt: wir hoffen immer noch, dass sie sich noch anders entscheidet und nach Rio kommt.

Zur deutschen Politik: Wie werden Deiner Meinung nach die Verhandlungen der deutschen Delegation verlaufen mit einem an der Spitze stehenden Umweltminister Altmaier, der erst seit wenigen Wochen im Amt ist? Ist er in seiner Position überhaupt schon so gestärkt?
Ich glaube, dass ist nachher die große Weltpolitik, in die wir bisher auch kaum Einblicke gewinnen konnten. Wir waren zwar bei vielen Vorbereitungsterminen, waren auch öfter in New York bei den ganzen Vorbereitungskonferenzen und haben auf der Ebene der Verhandler sehr viel Einblicke gewinnen können und dabei auch sehr viel gelernt. Wie die große Weltpolitik funktioniert, wissen wir dadurch auch nicht besser. Wir hoffen einfach, dass dadurch, das immerhin zwei Minister herunterkommen, sie sich ambitioniert einsetzen. Peter Altmaier hat sich zwischenzeitlich schon relativ ambitioniert geäußert. Am besten wäre es natürlich, wenn Merkel hier runterkommt. Ich habe gehört, dass Altmaier da sehr offen rangeht. Überhaupt muss man wahrnehmen, dass in den Verhandlungsprozessen meistens die EU verhandelt und nicht die einzelnen Mitgliedsländer, so dass es da zumindest in den Verhandlungsprozessen gar nicht so wichtig ist. Wie das dann bei den tatsächlichen Gipfeltagen aussehen wird, da können wir auch nur raten.

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