Auswandern nach Tobago: Deutschland war und blieb meine Heimat

Haus_Argyle

Datum: 23. Februar 2010
Uhrzeit: 06:31 Uhr
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Das einzige, was mir nun noch Sorgen machte, war unser Haus. Ich hatte mit Hilfe der Makler und einiger Menschen, denen ich glaubte vertrauen zu können, immer wieder versucht, jemanden zu finden, der im Haus wohnen wollte. Dies war dringend vonnöten, da es  sonst innerhalb kürzester Zeit vollends ausgeraubt worden wäre. Ich verlangte keine Miete, zahlte im Gegenteil noch die Strom- und Wasserrechnungen. Doch die Leute blieben nie lange wohnen, und nahmen dann bei ihrem Auszug auch noch einiges von den restlichen Möbeln mit.

Einmal erhielt ich von einem Makler die Nachricht, er habe einen Kaufinteressenten. Dieser wollte gleich den Hausschlüssel haben, um auf das Haus Acht geben zu können. Mir war das sehr recht. Erst viel später erfuhr ich, dass er sich jedes Wochenende junge Mädchen aus Trinidad hatte kommen lassen, und mein Haus als Bordell benutzte. Entsprechend sah das Mobiliar hinterher aus.

Es verging weitere Zeit, in der ich zwei bis dreimal jährlich wegen des Hauses nach Tobago geflogen war. Einmal waren es Handwerker, die irgend etwas reparieren mussten, oder es war ein Makler, der vorgab einen Käufer zu haben oder ein Notartermin, der dann wieder platzte. Aber es war mir stets wichtig genug, immer wieder eine Woche meines Urlaubs zu opfern, um dort hin zu fliegen. Inzwischen war das Haus bereits in einem Zustand, dass es bald nur noch den Grundstückspreis wert war. Man stelle sich vor, dass Diebe sämtliche Türen im Haus gestohlen hatten. Ja sogar die Wasserrohre aus Kunststoff wurden herausgerissen und entwendet, weil vielleicht irgend jemand selbst gerade ein Haus baute, und die Rohre gut gebrauchen konnte. Natürlich stand das ganze Haus danach unter Wasser.

Ich musste sogar einmal einen Kammerjäger beauftragen, da das verlassene Haus von Fledermäusen besiedelt war. Die Tiere ließen sich durch nichts vertreiben. Sie hingen wie eine schwarze Wolke überall an der Decke. Der Fußboden war dadurch zentimeterdick mit ihrem Kot bedeckt. Außerdem zogen sich etliche Termitenstraßen kreuz und quer durchs ganze Haus. Die Tiere fraßen das Holz der Fensterrahmen und Möbel regelrecht auf, und setzten so allem ziemlich übel zu.

Auch war es sehr wichtig, einmal jährlich die Grundsteuer zu entrichten. Dazu musste ich persönlich auf dem Amt in Roxborough erscheinen. Bargeldlos ging da überhaupt nichts. Ich konnte jedenfalls keine Kontonummer erfahren, um die Steuer von Deutschland aus anweisen zu können. Da ich sowieso oft genug in Tobago war, spielte ich eben wohl oder übel dieses Spielchen mit. Die Amtsstube, in der die Grundsteuer bezahlt wurde war eingerichtet wie im vorigen Jahrhundert. Ebenso altertümlich war die Vorgehensweise. Computer waren da keine zu entdecken. Wenn man endlich, meist nach recht langer Wartezeit an die Reihe kam, musste man sich ausweisen und zusätzlich den Nachweis erbringen, der Eigentümer des entsprechenden Grundstücks zu sein, indem man den Kaufvertrag vorlegte. Dann holte die Angestellte ein riesengroßes schwarzes Buch aus einem Regal. Dort wurde fein säuberlich Buchstabe für Buchstabe und Zahl für Zahl  eingetragen. Danach ging man nebenan zur Zahlstelle, um den Betrag, der übrigens relativ gering war, zu entrichten. Mit der handgeschriebenen Quittung durfte man endlich, manchmal nach Stunden, dieses Amt wieder verlassen. Die pünktliche Entrichtung der Grundsteuer war mir sehr wichtig, da mir zu Ohren gekommen war, dass es sehr schnell gehen konnte, sein Land zu verlieren, wenn man die pünktliche Bezahlung versäumte.

In dieser hektischen Zeit, zwischen all diesen Aktionen erhielt ich die Nachricht, dass mein Mann verstorben war. Er hatte sein Problem nicht mehr in den Griff bekommen. Es traf mich sehr. Immerhin waren wir mehr als 30 Jahre gemeinsam einen Weg gegangen.

Vor ein paar Jahren war es mir dann gelungen, mein Haus verkaufen. Es hatte nicht mehr allzu viel eingebracht, aber ich war froh, wenigstens noch einen Teil gerettet zu haben. An all die viele Arbeit und Kraft, die wir investiert hatten, durfte ich nicht denken. Jetzt hatte ich wenigstens den Kopf wieder frei.

Ich wusste nun ganz sicher, Deutschland war und blieb meine Heimat.

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In „Abenteuer auf Tobago“ erzählt Solveigh Köllner von all den Abenteuern und Gefahren, aber auch von der einzigartigen Natur der Insel im karibischen Meer und den faszinierenden Eindrücken einer fremden Kultur.

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