Alter und neuer Hafen
Der Preis, den sie dafür erhält, ist kein geringer: Die Stadt heute ist eine ganz normale Provinzkapitale, die kaum negative Begleiterscheinungen des Tourismus kennt. Der Flughafen, wenn auch klein, ist einer der wichtigsten des Landes. Und auch der Hafen ist dabei an Bedeutung zu gewinnen. Da sind die Aus- und Einfuhr an Waren aller Art. Und die Kreuzfahrt-Anbieter planen mit Puerto Plata als Hub, um die Passagiere auf die und von den Karibik-Touren hin- und wegzufliegen.
Das Zollgebäude im alten Hafen stammt von 1918 und ist eine Ruine. Es erinnert daran, dass die Zeiten schon besser waren. Der Zutritt zum Gelände ist nur Befugten erlaubt. Anders am neuen Hafen – da stapeln sich Container auf Container. Klarer Beleg dafür, dass Puerto Plata zu den drei bedeutendsten Häfen des Landes zählt.
Vorbei an bunten Holzhäusern, die an die frühen kolonialen Tage erinnern, gelangt man leicht hügelaufwärts zum heutigen Markt. Hier vibriert der kommerzielle Magen der Stadt – Tag für Tag. Bauern aus der Umgebung halten die Produkte ihrer Felder und Gärten feil: Kochbananen, Süsskartoffeln, Maniok und Bohnen jeglicher Farbe, Grösse und Art. Und natürlich Früchte, für jeden Geschmack: Ananas, Mango, Passionsfrucht, Zitrusfrüchte aller Art, Guava, Papaya und Melonen. Es ist stickig, laut, heiss. Da hängen fünf weisse Hühner, an den Klauen zusammengebunden, die auf Käufer warten. Dort wird inmitten der Stände ein Schwein geschlachtet. Unter der Markthalle aus Beton, wohl ein Werk aus den 70er Jahren, gibt es Stände mit billigem Kunsthandwerk aller Art, Plastic-Kram, Kitsch und Tand. Der Markt vibriert – Gelächter, Gefeilsche, Geschrei. So wie es immer war. Es riecht nach Menschen und Schweiss, da wabert Rauch, dort ist eine kühle Seebrise zu spüren, die Sonne sticht, mitten im November.
Nur unweit davon der Parque Mayor, wie überall in Spaniens Kolonien, rechteckig, die Steinplatten mit feiner Musterung aus einem Bergwerk der Region. Palmen, die Schatten spenden und Bänke zum Verweilen. Nichts Überbordendes, der Platz atmet die nie einfache, stets prekäre koloniale Realität von einst. Und er ist kaum je voll von Menschen, diese halten sich in ihren Vierteln auf. Sind bei der Arbeit, am Kinderhüten, Kochen, normaler Alltag halt. Die Kathedrale, alles andere als ein architektonisches Juwel, armierter Beton, ist seit 1996 immerhin Sitz eines Bistums. Und überall dasselbe Bild. Bis auf zwei, drei Ausländer, die sich aus ihren Hotelburgen in das Gewusel der nahen Stadt wagen, sind nur Einheimische zu sehen. Sogenannte Expats finden sich allenfalls in einer Handvoll Restaurants und Bars, die von Deutschen oder Italienern geführt werden. Hier treffen sie sich, wenn sie Heimweh überkommt, ein Schnitzel essen oder den Club ihres Herzens in einem Champions League-Spiel unterstützen wollen.
Doch was ist es, dieses für die spanisch geprägte Karibik so unverwechselbare Lebensgefühl, diese einzigartige Leichtigkeit des Seins, aller ökonomischer Unbill zum Trotz? Ist es ein Hahnenkampf in einer kleinen Arena irgendwo draussen in einem Quartier? Wo Männer schreien, schwitzen, wild gestikulieren, Geld auf ihren Favoriten setzen ? Die Kultur des „Galleros“, wie die Züchter der Kampfhähne, die Aficionados und Arenen des „kleinen Mannes“ gleichermassen heissen? Kämpfe übrigens, die sonntags live im Fernsehen zu sehen sind.
Ist es ein unbeschwertes Baseball-Spiel ein paar Jugendlicher an einem Samstag Nachmittag am weiten Strand inmitten der Stadt? Oder sind es die Motoconchos ? Zu Hunderten fleissigen Bienen gleich in der Stadt unterwegs, zu Deutsch – Motos mit Chauffeur. Trötend, laut knatternd, und doch stets vorsichtig und zuvorkommend. Erst seit kurzem tragen die Lenker der Kleintaxis Helm und gelbe Weste mit Erkennungsnummer. Sie weisen sie für ihren Berufsstand aus. Auch in der Karibik gilt – es muss alles seine Ordnung haben.
Nein, wie im ganzen Land, schlägt das wahre Herz Puerto Platas nach Einbruch der Dunkeltheit: Ein Stand, eine improvisierte Bar an einem Strassenrand. Aus den Boxen ertönt Bachata – überlaut, der Bass dröhnend, der Takt rhythmisch, Liebeskummer melancholisch und tausendfach seziert – das fühlen, verstehen alle, singen mit, Wort für Wort. Es erleichtert, es ist Schmerz, der den Alltag für Momente vergessen lässt.
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