Abtreibung ist in Brasilien nur unter bestimmen Bedingungen legal. In der Folge stirbt im größten Land Lateinamerikas jeden zweiten Tag eine Frau, weil sie zu Pfuschern geht und sich einem illegalen Schwangerschaftsabbruch unterzieht. Das amtierende Staatsoberhaupt Dilma Rousseff und ihre Herausfordererin Marina Silva hatten das heikle Thema in ihrem Wahlkampf allerdings ausgeklammert.
Der Gesetzgeber erlaubt eine Abtreibung nur, wenn die Mutter vergewaltigt wurde, wenn der medizinische Eingriff Lebensgefahr für die werdende Mutter abwendet oder wenn die Leibesfrucht nicht lebensfähig ist. Ebenfalls ist die kostenlose Notbehandlung für Missbrauchsopfer in öffentlichen Krankenhäusern und die Ausgabe von Medikamenten wie der „Pille danach“ erlaubt, um ungewollten Schwangerschaften vorzubeugen.
Zwei tragische Fälle in Rio de Janeiro haben Licht auf eine dunkle Wirklichkeit geworfen, die von den meisten Brasilianern lieber ignoriert wird. Einer von ihnen ist Jandira dos Santos Cruz, eine 27-jährige geschiedene Mutter von zwei Kindern. Sie verschwand, nachdem ihr Ex-Mann sie an einer Bushaltestelle im Westen von Rio de Janeiro abgesetzt hatte.
Jandira war im vierten Monat schwanger und wurde nach Angaben ihres Ex-Mannes zusammen mit zwei weiteren Frauen von einer ihm nicht bekannten Frau in einem weißen Auto in eine illegale Abtreibungsklinik an einem unbekannten Ort gebracht. Er wartete – aber sie kam nie zurück. Für die heimliche Abtreibung hatte Jandira rund 2.000 US-Dollar gezahlt. In ihrer letzten SMS stand: „Sie sagten mir, ich muss mein Handy sofort abschalten – ich bin in Panik“.
In der vergangenen Woche wurde eine verkohlte Leiche im Kofferraum eines Autos entdeckt. DNA-Tests ergaben, dass es sich um die sterblichen Überreste von Frau Cruz handelte. Die Polizei glaubt, dass sie während der Abtreibung starb und ihr Körper zur Erschwerung der Identifizierung verstümmelt und verbrannt wurde. Fünf Verdächtige wurden festgenommen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Auch die 32-jährige Elizângela Barbosa starb nach einer verpfuschten Abtreibung in einer illegalen Abtreibungsklinik, ihre Gebärmutter und Darm waren perforiert. Bei der Autopsie wurde eine Plastikröhre in ihrem Uterus entdeckt. Die schockierenden Fälle haben Aufmerksamkeit gefunden und führen landesweit zu Diskussionen darüber, welch großen Risiken Hunderttausende brasilianische Frauen ausgesetzt sind (zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Brasilianerinnen brechen jährlich eine Schwangerschaft ab). Die tragische Geschichte von Jandira und Elizângela kann dazu dienen, dass die Tür für eine nationale Debatte über Abtreibung geöffnet wird.
Leider kein Kommentar vorhanden!