Der Korruptionsskandal um die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff spitzt sich zu. Der Oberste Wahlgerichtshof unter Richter Gilmar Mendes hat am 7. Oktober entschieden, Ermittlungen gegen das Staatsoberhaupt aufzunehmen. Demnach soll Rousseff ihren Wahlkampf illegal mit Spenden von Zulieferern des Energiekonzerns Petrobas finanziert haben. Ein solches Vorgehen gab es in der Geschichte des Landes bislang nicht. Am Freitag (16.) gab die Bundespolizei (Polícia Federal) bekannt, ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet zu haben. Dabei geht es um angebliche Unregelmäßigkeiten während des Wahlkampfs von Rousseff im Oktober letzten Jahres. Die linke Politikerin hatte in einer Stichwahl 51,45 Prozent aller Stimmen auf sich vereint, Gegenkandidat Aécio Neves aus dem Mitte-Rechts-Lager kam auf 48,55 Prozent. Die Verfassung Brasiliens weist ein solches Vorgehen gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt als legitim und rechtmäßig aus, die Putsch-Rhetorik von Rousseff ist nicht angebracht und stellt sie auf eine Stufe mit den selbstherrlichen und selbstgerechten Staatsoberhäuptern aus Venezuela, Bolivien, Argentinien und Ecuador.
Ziel des Ermittlungsverfahrens ist es, festzustellen, ob Rousseff und Vizepräsident Michel Temer Machtmissbrauch zur ihrer Wiederwahl angewandt und dazu unter anderem auch Gelder aus der staatlichen Ölgesellschaft Petrobras umgeleitet haben. Die brasilianische Justiz stützt sich dabei vor allem auf die Aussagen von Inhaftierten im Korruptionsskandal um Petrobras, die im Austausch für Strafmilderung mit den Bundesoberbehörden kooperieren. Sollten sich die Hinweise bestätigen, gelten die Ermittlungsergebnisse als mögliche Begründung zum Amtsenthebungsverfahren. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, hat auf die verfassungsrechtliche Pflicht zur Aufklärung der Vorwürfe hingewiesen, bisher bereits elf Anträge der Opposition in diesem Zusammenhang abgelehnt (kein rechtliches Gewicht).
Staatsanwalt Julio Marcelo de Oliveira beim Rechnungshof sprach am Freitag in einem Interview von „schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen“. Demnach soll die Regierung Ausgaben getätigt haben, ohne die entsprechenden finanziellen Mittel zu besitzen und deshalb unrechtmäßig Geldmittel der öffentlichen Banken verwendet haben. Darunter sollen sich deponierte Gelder der Arbeitslosenversicherung befunden haben, ebenfalls hinterlegte Subventionen für die ärmsten Familien und Kredite für Landwirte. Diese illegalen Manöver, bei denen es um eine Summe von rund 10,53 Milliarden US-Dollar gehen soll, stellten die Wirtschaftspolitik von Rousseff in Zeiten des Wahlkampfs in ein positives Licht – verzerrten die Realität im krisengebeutelten Land allerdings gewaltig.
Laut Oliveira begannen die Unregelmäßigkeiten (Geldumschichtungen/Entnahmen aus dem Depot der Nationalen Wirtschafts- und Sozialentwicklungsbank) bereits im Jahr 2013, wurden von der Regierung allerdings bis zum 31. Dezember desselben Jahres vollständig beglichen. Anfang 2014 sollen diese Manöver wieder aufgenommen und in der zweiten Hälfte des Jahres noch verstärkt worden sein. Der Wahlkampf von Rousseff für ihre zweite Amtszeit war in der Endphase, positive Zahlen für das Wahlvolk erwünscht. „Im Gegensatz zu 2013 waren die entnommenen und umgeschichteten Summen nicht abgedeckt“, so Oliveira, der von einem eindeutigen „Missbrauch“ im Umgang mit öffentlichen Geldern spricht.
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