Brasilianische Regierungspolitiker sprechen im Zusammenhang mit einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff von einem „golpe“, einem Staatsstreich. Rechtsexperten stellen jedoch klar, dass ein Impeachment in Präsidial geführten Ländern ein ganz normales per Konstitution gewährtes Instrument ist. Strittig ist hingegen die Begründung des eingereichten Verfahrens, welche auf Haushaltsvergehen beruht, die auch schon von anderen Regierungen begangen worden sind.
Rousseff werden vom Rechnungshof eine Reihe von fiskalischen Vergehen vorgeworfen, wie die Aufnahme von Krediten ohne Zustimmung des Kongresses, die Vernachlässigung der Kontabilität bereits vorhandener Schulden und vor allem eine Kaschierung/Schönung von Zahlen über das Haushaltsdefizit.
Im Gegensatz zu den parlamentarischen Demokratien Europas muss nach der brasilianischen Konstitution für ein Impeachment ein Rechtsvergehen vorliegen. Erst dann kann der Kongress über die Einleitung eines Verfahrens und letztlich die Absetzung des Präsidenten entscheiden.
Ein Impeachment ist für Brasilien nichts Neues. Im Jahr 1992 ist der damalige Präsident Fernando Collor de Mello zurückgetreten, kurz nachdem ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Anders als jetzt war der bei den Wahlen von 1989 unterlegene Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva damals weit davon entfernt, von einem Staatsstreich gegen die Demokratie zu sprechen.
Rechtsexperten verwerfen die Bezeichnung des Impeachments als „golpe“. Nach dem Gesetz ist es ein legales Werkzeug, dem eine rechtliche Motivation zugrunde liegt. Das Supremo Tribunal Federal (Oberster Gerichtshof) hat bei seiner jüngsten Entscheidung auch nicht gegen das Amtsenthebungsverfahren geurteilt, sondern lediglich die Regeln dazu klar gestellt.
Umstritten ist die Begründung, mit dem das Verfahren gegen Rousseff eingeleitet werden soll. Die der Präsidentin vorgeworfenen Vergehen gegen das Haushaltsgesetz sind bereits in ähnlicher Form ebenso von vorangegangenen Regierungen begangen worden. Einige Rechtswissenschaftler erklären, dass auf ein Impeachment nur in extremen Fällen mit breiter Unterstützung der Gesellschaft zgerechnet werden dürfte. Bei Umfragen in der Vergangenheit haben 60 Prozent der Befragten sich auch für ein Amtsenthebungsverfahren ausgesprochen.
Feststeht, dass die Diskussion um ein Impeachment die politische Stabilität der Regierung untergräbt. Sollte das Verfahren zugelassen werden, wird dies als Zeichen gesehen, dass die Regierung nicht in der Lage ist, politische Konflikte zu lösen.
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