Lobos de Rio – Wölfe des Flusses

riesenotter

Datum: 04. Mai 2010
Uhrzeit: 06:29 Uhr
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Autor: Redaktion
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Der tropische Regenwald Südamerikas – wichtiger Klimaregulator und ausgestattet mit einer herausragenden Artenvielfalt. In seinen Gewässern geht ein großer, faszinierender Fischotter im Rudel auf Jagd: Der Riesenotter.

Riesenotter sind die größten der weltweit existierenden 13 Fischotter arten. Sie werden bis zu zwei Meter lang und ihr Körpergewicht von 22 bis 32 kg übertreffen nur noch die nordamerikanischen Seeotter. Die Heimat der Riesenotter sind die tropischen Regenwälder Südamerikas. Dort gehören sie zu den größten Raubtieren. Die Riesenotter leben in Gruppen und gehen gemeinsam auf Jagd. Vielleicht lautet ihr spanischer Name deshalb „Lobos de Rio“ – Wölfe des Flusses. Sie sind hoch spezialisierte und äußerst effektive Jäger. Ihre bevorzugte Beute ist Fisch, und davon fressen sie drei bis vier Kilo am Tag. Ihre Jagdgebiete, die tropischen Flüsse und Seen, teilen sie sich mit den südamerikanischen Krokodilen – den Kaimanen. Von diesen fischfressenden Reptilien erreicht eine Art – der Mohrenkaiman – Längen von bis zu fünf Metern und ist somit auch für den Riesen unter den Fischottern ein ernst zu nehmender Konkurrent.

Ursprünglich lebten Riesenotter im gesamten tropischen Tieflandregenwald Südamerikas. Ihr Verbreitungsgebiet reichte von Venezuela bis in den Norden Argentiniens. Heute sind nur noch isolierte Restpopulationen übrig geblieben. Die Jagd für den internationalen Fellhandel führte in der Vergangenheit zu einer drastischen Bestandsreduktion. Das Fell eines Riesenotters galt aufgrund seiner Größe und seiner hohen Haardichte als äußerst wertvoll. Bei den Pelzjägern war es so gefragt wie das Fell des Jaguars, der größten Katze Südamerikas. Als 1973 der Riesenotter in die strengste Schutzkategorie, das internationale Abkommen zum Handel bedrohter Arten (CITES/Artenappendix 1) aufgenommen wurde, kam es zwar zu einem Zusammenbruch des Fellhandels, aber gelöst war damit nur eines seiner Probleme. Auch heute noch stuft die IUCN (International Union of Conservation of Nature) diese große Fischotterart als besonders bedroht ein. Die größte Gefährdungsursache ist vor allem die Zerstörung seines Lebensraums, des tropischen Regenwalds Südamerikas.

Ältere Geschwister als „Babysitter“

Riesenotter leben in Gruppen, was für Fischotter eher ungewöhnlich ist. Ein Riesenotter-Rudel besteht normalerweise aus einem Elternpaar und den Jungtieren der letzten beiden Würfe. Es lassen sich Otter-Gruppen mit mehr als zehn Tieren beobachten, aber meistens leben etwa fünf Otter zusammen. In ihrem natürlichen Lebensraum bekommt ein Riesenotter-Weibchen ein Mal im Jahr durchschnittlich zwei bis drei Junge, die sie etwa ein halbes Jahr säugt. Aber schon mit etwa zwei Monaten nimmt sie die Welpen zunehmend auf Jagdausflüge mit. Die Welpen jagen in diesem Alter allerdings noch nicht. Während der Jagd füttern die anderen Familienmitglieder den Nachwuchs zusätzlich mit Fischen.

In dieser Phase der Jungtieraufzucht spielen die ein bis zwei Jahre älteren Geschwister eine wichtige Rolle. Nicht nur, dass sie für ihre jüngeren Geschwister Fische fangen, sie übernehmen auch die Aufgaben eines „Babysitters“. Lassen die Gruppenmitglieder die Welpen während eines Jagdausflugs in der Höhle zurück, bleibt oft eines der älteren Geschwister als Aufpasser bei den Jungen. In Otter-Gruppen, in denen mehrere Babysitter zur Verfügung stehen, haben die Jungtiere deutlich größere Überlebenschancen. Junge Riesenotter verlassen ihre Familie in einem Alter von zwei bis drei Jahren. Dann ziehen sie als Einzelgänger umher, und suchen nach einem Partner und einem geeigneten, noch freien Revier. Dort versuchen sie dann, eine eigene Familie zu gründen.

Riesenotter jagen am Tag – und zwar ausschließlich. Nachts schlafen sie in ihrer am Fluss-Ufer selbst gegrabenen Höhle, in der sie auch ihre Jungen aufziehen. Sechs bis sieben Stunden müssen die Otter pro Tag jagen, um ihren enormen Nahrungsbedarf von drei bis vier Kilogramm Fisch zu decken. Dabei sind Riesenotter äußerst agile und effektive Jäger. Ihre lang gestreckte Körperform mit den kurzen Beinen, die großen, paddelförmigen Pfoten mit den Schwimmhäuten zwischen den Zehen sowie der lange, flache und muskulöse Schwanz sind dabei von Vorteil. Ihre Hauptbeute sind 10 bis 40 Zentimeter große Fische. Selten erbeuten sie große Welse, an denen sie dann gemeinschaftlich fressen. Normalerweise fängt und frisst jedes Gruppenmitglied seinen eigenen Fisch. Der Vorteil der Gruppenjagd liegt beim Riesenotter nicht im gemeinschaftlichen Überwältigen großer Beute, sondern eher im schnelleren Finden, Verwirren und Zusammentreiben eines Fischschwarms.

Warum gehört der Riesenotter trotz seines hohen Schutzstatus zu den bedrohtesten Säugetierarten weltweit? Wer kann diesem eindrucksvollen Jäger in den südamerikanischen Tropen gefährlich werden? Der Mohrenkaiman, die Anaconda oder der Jaguar, die durch denselben Lebensraum streifen, sind es nicht. Sie gehen sich in der Regel aus dem Weg. Ein Riesenotter ist ein viel zu wehrhafter Gegner, zumal man es immer mit einer ganzen Gruppe dieser großen Fischjäger zu tun hat. Sogar die großen Kaimane, die um dieselbe Nahrung konkurrieren, weichen den Ottern eher aus. Der Mohrenkaiman, ein Lauerjäger, versucht vor allem in den Nachtstunden Beute zu machen. Dagegen verfolgt der schnelle und  ausdauernde Otter tagsüber seine Beute mit unterschiedlichen Jagdtechniken. Nur sehr selten kommt es zu eher zufälligen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fischfressern.

Nein, die Gefahren, mit denen sich dieser Fischotter auseinandersetzen muss, sind andere. Während früher die Jagd nach seinem wertvollen Fell diese Tierart an den Rand der Ausrottung brachte, ist heute die Vernichtung seines Lebensraums dafür verantwortlich.

Nicht nur die Rodung des Waldes, auch die Verschmutzung der Gewässer machen dem Riesenotter zu schaffen

Aufgrund des hohen Goldpreises hat besonders in den letzten Jahren die Suche nach dem Edelmetall in den Sedimenten der Regenwaldflüsse stark zugenommen. Neben Gold gehören Erdöl und Gas zu den weiteren wichtigen Bodenschätzen vieler Regenwaldregionen und ihre Ausbeutung hat meist fatale Konsequenzen für den Wald und seine Bewohner. Zunehmend erschließen auch Straßen die entlegenen und schwer zugänglichen Regenwaldgebiete und der Wald muss großflächigen Sojaplantagen weichen.

Über die Hälfte der ursprünglichen Tropenwälder ist schon abgeholzt und damit für immer verloren. Aber nicht nur die Rodung des Waldes, auch die zunehmende Verschmutzung der Gewässer macht dem Riesenotter zu schaffen, und nicht nur ihm, sondern allen, die seinen Lebensraum teilen. So kann zum Beispiel Quecksilber, das bei der Goldgewinnung in großen Mengen eingesetzt wird und dabei ins Wasser gelangt, in hohen Konzentrationen in Fischen nachgewiesen werden. Mit wandernden Fischen gelangt dieses Umweltgift selbst in die entlegensten Regionen, auch in die letzten Rückzugsgebiete der Riesenotter.

Ein besonderes Problem war anfangs der Tourismus

Vor mehr als fünfzehn Jahren starteten die Biologen Christof Schenck und Elke Staib ein Forschungs- und Schutzprojekt der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) für Riesenotter im Südosten von Peru. In den ersten Jahren ermittelten sie Bestände, definierten Schwerpunktregionen für den Schutz, erforschten Lebensraumansprüche und analysierten Gefährdungsursachen.

Da Riesenotter einen individuell geformten Kehlfleck haben, gelang es mit Videotechnik, einzelne Tiere zu unterscheiden und sehr genaue Zählmethoden zu etablieren. Gleichzeitig konnten sie so die Lebensschicksale vieler Tiere über Jahre dokumentieren. So erhielt man Kenntnisse zur Familienstruktur der Otter-Rudel und zur Abwanderung erwachsener Gruppenmitglieder und zur Überlebensrate der Jungen.

Es ließ sich hiermit nachprüfen, ob begonnene Schutzmaßnahmen tatsächlich den erwünschten Erfolg zeigen. Ein besonderes Problem war anfangs der Tourismus: Riesenotter sind tagaktiv, relativ leicht zu finden und erlauben besonders spannende Beobachtungen. Aber sie sind auch sehr störungsempfindlich. Bald stellte sich heraus, dass der Tourismus eine Teilschuld an den stagnierenden und rückläufigen Beständen hatte. Mit einem intensiven Training der Parkranger und Tourismusführer, Tafeln und Faltblättern, Infozentren, ausgewiesenen Ruhezonen an den Altarmen von Flüssen und festen Beobachtungsplattformen gelang es, diese Probleme in den Griff zu bekommen.

Und siehe da: Die Riesenotter-Bestände stiegen wieder an, die Tiere waren vertrauter und konnten ihren Lebensraum besser nutzen und für die Touristen ergaben sich viel bessere Beobachtungsmöglichkeiten. Aus dem Riesenotter-Projekt der ZGF entwickelte sich über die Jahre ein großes Regenwaldschutzprogramm. Jessica Groenendijk, Frank Hajek, Rob Williams und zehn weitere peruanische Mitarbeiter bemühen sich heute, neue Schutzgebiete einzurichten, mit Satellitenbild-Auswertung den Zustand der Wälder zu überwachen und die peruanischen Behörden bei der Sicherung der Nationalparks zu unterstützen. Die alljährlichen Zählungen der Flusswölfe gehören dabei immer noch zu den spannendsten Aufgaben. Und sie zeigen: Es gibt durchaus Hoffnung für die Riesen unter den Ottern.

Aktuelle Riesenotter Forschungs- und Schutzprojekte

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