Venezuela: Notleidende Bevölkerung sucht Zuflucht in Brasilien

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Immer mehr Venezolaner flüchten über die Grenze nach Brasilien (Foto: Screenshot TV)
Datum: 14. Dezember 2016
Uhrzeit: 14:34 Uhr
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Autor: Redaktion
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Aufgrund der sozialen und politischen Krise verlassen immer mehr Venezolaner ihre Heimat. Zehntausende sind in den letzten Monaten in die Nachbarländer Kolumbien oder Brasilien geflüchtet, das einst reichste Land Lateinamerikas wird zunehmend zu einem Problem für die ganze Region. Am Mittwoch (7.) hat die Gouverneurin des brasilianischen Bundesstaates Roirama, Suely Campos (PP), für 180 Tage den Gesundheitsnotstand in den Städten Boa Vista und Pacaraima ausgerufen. In einem Gespräch mit Agência latinapress bestätigte die Migrationsbehörde von Roraima, dass zwischen Januar 2015 und September 2016 mehr als 77.000 Venezolaner die Grenze nach Brasilien überschritten haben. Etwas mehr als 10.000 kehrten nicht mehr in ihr Heimatland zurück.

Die Bundespolizei „Policia Federal“ führt Massenabschiebungen durch – die letzte mit mehr als 450 Venezolaner vor einer Woche. Dies gestaltet sich allerdings schwierig, Brasilien ist Unterzeichner der amerikanischen Menschenrechtskonvention. Diese verbietet die kollektive Ausweisung von Ausländern. „Es ist besser hier zu sein, als ohne Essen in Venezuela. Hier werden wir nicht gedemütigt und sind keinen Schikanen durch das Regime ausgesetzt. Ich bin stolz darauf, meiner Familie in Venezuela Geld schicken zu können“, so die 32-Jährige Yusmaris Benavides, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von selbst gebackenen Brot, Erdbeeren oder der Reinigung von Fenstern verdient.

Venezuela erlebt eine schwere politische und wirtschaftliche Krise, mit Engpässen und einer Inflationsprognose von weit über 700% in diesem Jahr. Es fehlt den Menschen an Nahrung, Medizin und grundlegenden Hygieneartikeln. „Meine ganze Familie will nach Brasilien kommen. In Maturin (Hauptstadt des venezolanischen Staates Monagas) essen wir nur einmal am Tag. Außer Reis gibt es nichts zu kaufen“, klagt Yusmaris, die vor vier Monaten in Boa Vista ankam und sich ein Zimmer mit sechs anderen Personen teilt.

Die Anträge auf Asyl steigen in ungeahnte Höhen. Im Jahr 2012 ging bei den Behörden ein einziger Asylantrag ein, 825 im Jahr 2015 und bis Oktober 2016 insgesamt 1.805. Das Asylverfahren geht langsam vonstatten und dauert im Durchschnitt etwa zwei Jahre. Der Massenansturm von Venezolanern führt inzwischen dazu, dass die Notunterkünfte total überfrachtet sind. Vor den Dienstellen der Bundespolizeidirektion in Boa Vista bilden sich jeden Tag lange Menschenschlangen, die Flüchtlinge sind verzweifelt. Viele Minderjährige sind unterernährt und werden in die Notaufnahme der Krankenhäuser eingeliefert.

„Wir mussten Personal und unsere Notfallausrüstung aufstocken. Die Zahl der Venezolaner, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht beantragen, hat sich in den letzten Wochen verdreifacht. Heute können wir rund 50 Anträge pro Tag bearbeiten, die Warteschlange liegt bei etwa viertausend“, so Marcos Aguiar Ribeiro, Leiter der Einwanderungsbehörde des Staates Roraima. Da Venezuela noch Teil des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur ist, brauchen Bürger dieses Landes kein Visum für die Einreise. Venezolaner haben das Recht, neunzig Tage in Brasilien zu bleiben. Die Behörden weisen darauf hin, dass die Bewilligung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts strengen Kriterien unterliegt. In den Jahren 2015 und 2016 wurden von 2.630 Asylanträgen nur sechs genehmigt. Von den 8.455 in Brasilien lebenden offiziell anerkannten Flüchtlingen sind nur 11 Venezolaner. „Ein Großteil der Ausländer (Venezolaner) sind nach brasilianischem Recht keine Flüchtlinge, sie sind Wirtschaftsmigranten“, so Ribeiro.

„Die Venezolaner suchen ein besseres Leben in Brasilien und fliehen vor dem Hunger in ihrem Heimatland. Unsere sozialen Institutionen und die Bundesregierung sind gefordert, wir müssen die Zahl der humanitären Visa, wie wir dies bereits für Haitianer eingeführt haben, erhöhen“, fordert Telma Lage, Rechstanwältin und Koordinatorin des Migrationszentrums der römisch-katholischen Diözese von Roraima.

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